130 Jahre Dr. Haas

Geld, Macht und Liebe

Was aus den Nachkommen von Hermann Haas geworden ist, liest sich spannend wie ein Roman.

Von 
Susanne Räuchle
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Otto Haas-Heye zog die High Society an: In den 50er Jahren führte der weltbekannte und weltgewandte Künstler auch die Begum durch Mannheim.

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Dem Sohn des Gründers, Otto Haas-Heye (1879-1959), steht der Sinn nicht nach Druck, er will der Schönheit dienen und kann sich diesen Luxus gönnen. Mit 23 Jahren ist er Alleinerbe, studiert Malerei in Rom, Paris und Düsseldorf, muss seine Neigung nicht dem schnöden Gelderwerb opfern. Seinem Charme erliegt auch Viktoria, jüngste Tochter des Fürsten Philipp zu Eulenburg und Hertefeld. Sie will er haben, sonst keine. Dass der Schwiegervater und Kaiser-Freund 1908 in einen hochnotpeinlichen Homosexuellen-Skandal verwickelt ist, stört den freien Geist nicht. 1909 wird auf dem märchenhaft Schloss Liebenberg, dem Sitz derer zu Eulenburg nördlich von Berlin, geheiratet. Und "drei Hasen" kommen auf die Welt: 1910 wird die älteste Tochter auf den "Puzzle-Namen" aus Otto und Tora getauft, Ottora. 1912 residiert die Familie in der Park Lane in London, als Johannes kommt. 1913 erblickt Libertas in der Avenue Foch das Licht der Welt. Doch schon 1921 zerfällt das Glück, die Ehe scheitert, Viktoria zieht sich aufs fürstliche Landschloss zurück.

Adel verpflichtet - auch zu strenger Erziehung. Ottora wird 1928 in die Haushaltsschule in Hermannswerder gesteckt. Vater Otto Haas-Heye holt sie aus diesem Höhere-Töchter-Gefängnis nach Paris, dort lernt sie den schwedischen Diplomaten Graf Carl Douglas kennen und lieben. Geheiratet wird 1935 mit großem Pomp auf Liebenberg.

Hochzeiten und eine Hinrichtung: Eine Tragödie wird die Familie nie verschmerzen. Libertas, die Zweitgeborene, lernt bei MGM als Pressefräulein Harro Schulze-Boysen kennen und verliebt sich in den politisch Unangepassten. Die Zwei heiraten ein Jahr nach Ottora auf Liebenberg und tauchen dann in die Berliner Szene ein, wo sich Künstler und Regimekritiker begegnen.

Noch ist Libertas durch ihre Herkunft geschützt, plaudert mit Nachbar Göring bei den Eulenburg-Jagden, bittet ihn um Protektion für ihren Gatten. Aber als ihre Widerstandsaktionen auffliegen, nützen alle Beziehungen nichts. Als Filmdramaturgin im Reichspropagandaministerium hat "Libs" heimlich Dokumente über deutsche Kriegsverbrechen gesammelt, ihrem Mann bei der Übergabe kriegswichtiger Unterlagen an die Sowjets geholfen. Das Unternehmen wird entdeckt. Libertas versucht noch zu fliehen, sitzt schon im Zug, als die Gestapo zuschlägt und sie als Mitglied der weit vernetzten Widerstandsgruppe Rote Kapelle verhaftet. Am 22. Dezember 1942 wird sie auf dem Schafott in Plötzensee enthauptet. In dem Buch "Erzähl allen, allen von mir!" (Droemer-Verlag) schreibt Silke Kettelhake über das schöne kurze Leben der Libertas Schulze-Boysen, über den festen Zusammenhalt der "drei Hasen" in den Stunden der Not, von ihrer Liebe zur Mutter und zum "Väterchen".

Der Bruder, Johannes Haas-Heye, kehrt als Journalist zurück zu den Haas-Wurzeln, er gehört zu den Medien-Pionieren im Nachkriegsdeutschland, stirbt 2008 mit 96 Jahren in Bad-Godesberg. Ottora Maria Gräfin Douglas wird 2001 im großen Kreis betrauert. Zwei ihrer Kinder haben in den Hochadel geheiratet. Die Ehefrau von Max Herzog in Bayern und die Duchess of Marlborough sind Urenkel vom "MM"-Gründer.

Doch zurück zur Lebensgeschichte des Modezaren Otto Haas-Heye, zum Aufstieg und Fall des einst gefeierten Kunstprofessors, Autor und Couturiers. Er ist bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs in Berlin tonangebend, befreit die Frauen vom Korsett, gerät aber wegen seines zwanglosen Umgangs mit Geld selbst in die Klemme. Die Historikerin Susanne Schlösser skizziert in der "Geschichte der Stadt Mannheim" den Mann, der alles konnte - nur nicht haushalten. Trotz des ererbten Vermögens kommt er schon 1926 finanziell ins Trudeln. In Paris, später in Zürich sucht er sein Glück zu wenden, wählt dann das Exil in London und kehrt als 78-Jähriger 1957 nach Mannheim zurück, will hier ein Mode-Museum gründen. Die Mannheimer Journalistin Ulla Hofmann erinnert sich an den interessanten, hochgebildeten und liebenswerten Professor Haas-Heye, sie hat ihn in seiner kleinen Wohnung in der Roonstraße betreut. Was für ein Ende: 1959 fährt ein Motorradfahrer den 79-Jährigen um. Otto Haas-Heye stirbt an den Unfallfolgen, wird auf dem Mannheimer Hauptfriedhof beerdigt, dann umgebettet ins Familiengrab in Zell. Jahre später triff Ulla Hofmann auf einem Empfang in Edenkoben die Enkelin Herzogin Elisabeth in Bayern. Sie erzählt von den letzten Tagen des Grandseigneurs und erfährt, dass die Herzogin ihren Großvater nie gesehen oder gesprochen hat. Ihr Vater, Graf Douglas, habe dies nicht gewünscht. Der Makel bürgerlicher Herkunft wurde ihm also in der Hocharistokratie nie verziehen, die Ehe als grobe Messalliance gewertet.

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