Interview mit Haas-Gesellschaftern

"Waschechte Verleger haben nie vernünftig gewirtschaftet"

Die Haas-Gesellschafter Sonja und Michael Bode über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Medien.

Von 
Dirk Lübke
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Sonja und Michael Bode (Mitte) antworteten auf Fragen von Redakteur Dirk Lübke. In dem Interview ging es um den Glauben an die Zeitung und das Internet, um Kosten und Motivation und um redaktionelle Unabhängigkeit.

© Blüthner

Frau Bode, Sie haben vor knapp zehn Jahren in einem Interview mit dem "MM" gesagt, Ihr Mann hat eine große Portion Lebensweisheit. Welche Weisheiten haben sich seitdem besonders bemerkbar gemacht?

Zur Person: Michael Bode

1939 geboren in Mannheim

1957 Abitur am Tulla Gymnasium in Mannheim

Volontariat bei Ernst Klett Druckerei und Verlag, Stuttgart

Studium der Betriebswirtschaftslehre in Mannheim und München

1969 Eintritt in die Mannheimer Großdruckerei GmbH

nach der Fusion zwischen Druckerei und dem Verlag: 1979 geschäftsführender Gesellschafter bei der Mannheimer Morgen Großdruckerei- und Verlag GmbH

2003 Gründung der Somibo GmbH & Co. KG als geschäftsführender Gesellschafter

2004 Beginn des Ruhestands und Mitglied des Beirats der Dr. Haas GmbH

seit September 2012: Vorsitzender des Beirats der Dr. Haas GmbH

Hobbys: Engagement in den Bereichen Kunst und Kultur sowie sozialen Projekten, Autos, Reisen und Sport

Sonja Bode: Mein Mann hat die Tugenden bewahrt, die er von seinen Eltern übernommen hat. Er hat sich nicht beirren lassen von Zeitgeist-Einflüssen. Er steht für Hilfsbereitschaft, Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Korrektheit, Genauigkeit, Vertrauen, Gerechtigkeitsempfinden, Begegnen auf Augenhöhe. Und er fällt keine vorschnellen Urteile über Menschen, er geht nicht nach Hörensagen; erst wenn er jemanden näher kennengelernt hat, kommt er auch zu einer Einschätzung.

Zur Person: Sonja Bode

1957 geboren in Erlangen; 1976 Abitur in Erlangen

Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Erlangen-Nürnberg, Abschluss: 1. Staatsexamen (Prädikat). Referendariat am Oberlandesgericht Nürnberg, Abschluss: 2. Staatsexamen 1985

ein Jahr Sozietät in Nürnberg: Anwältin, Schwerpunkt: Zivil,- Straf- und Urheberrecht

GEMA, Nürnberg: ca. drei Jahre Abteilungsleiterin (Vertragsrecht und Urheberrecht)

1990 ein Jahr Abteilungsleiterin eines Versicherungsunternehmens in Nürnberg (Schaden/Recht )

1991-1992 Zusatzqualifikation: Seminar für Hochschulabsolventen (Betriebswirtschaftslehre, Datenbankverwaltung, Programmierung)

1992 Abteilungsleiterin eines Versicherungsunternehmens in Nürnberg (Schadensrecht)

1993 Eheschließung mit Michael Bode und Umzug nach Mannheim

seit März 1998 Beirätin bei der

Dr. Haas Gruppe

2003 Gründung der Somibo GmbH &Co. KG (= Gesellschafterin der Dr. Haas GmbH) mit Michael Bode, hier Geschäftsf. seit 2012

Hobbys: Autos (fünf Jahre Vizepräsidentin im Ferrari-Owners-Club) Golf, Reisen, Engagement in Kunst, Kultur, sozialen Projekten.

Herr Bode, glauben Sie im Internet-Zeitalter noch an das gedruckte Wort?

Michael Bode: Die Zeitung wird die vierte Kraft im Staat bleiben nach der Legislative, Exekutive und Judikative. Die Zeitung wird auch überleben. Goethe hat gesagt: Was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen. Schwarz auf weiß hat also einen Wert und ein Ansehen. Glaubwürdigkeit ist eines der herausragenden Merkmale einer Zeitung. Das geschriebene Wort entfaltet nur in einer Zeitung seine volle Wirkung. Beim Lesen erschließt sich die kleine komplette Welt, die einen im Augenblick des Lesens umgibt. Das macht den Lesegenuss aus. Natürlich ist Zeitung lesen auch anstrengend; es fordert Konzentration. Und ich muss mir suchen, was mich interessiert. Im iPhone oder im ipad kann der Leser sich bestellen was er lesen will und kann rasch konsumieren. Diese Leichtigkeit hat die Zeitung nicht.

Wie lesen Sie beide heute Zeitung?

Michael Bode: Von hinten. Ludwigshafen und Heidelberg wird fast überblättert. Der Mannheimer Lokalteil ist für mich ganz wichtig. Und natürlich kommt dann die Wirtschaft.

Sonja Bode: Ich bekomme die Zeitung vor meinem Mann und lese von vorn nach hinten. Manchmal - wenn eine Veranstaltung auf Seite 1 angekündigt ist - gehe ich auch gleich in den Mannheimer Lokalteil und danach wieder zurück. Es kommt vor, dass ich - manchmal aus Zeitgründen - den Sport überblättere. Nach dem Studium des Printprodukts gehe ich des Öfteren ins Morgenweb oder auf unser neues Portal Mannheim 24. Da interessiert mich: Welche neuen, zusätzlichen Nachrichten mit interessanten Fotos gibt es und wie sind diese aufbereitet in einem Portal, das Boulevard macht?

Wie ist es denn aufbereitet?

Sonja Bode: Wir haben im Beiratskreis ausführlich diskutiert, bevor wir uns für die Gründung der Boulevard-Portale entschieden haben. Lässt sich die Boulevard-Form mit unserer Tradition vereinbaren? Ist Boulevard unseriös? Schaden wir uns damit? Das sind nur einige Fragen, die wir diskutiert haben. Am Ende haben wir die Portale aber als eine sinnvolle Ergänzung zur klassischen Zeitung gesehen, da dem heutzutage gestiegenen Interesse an aktuellen regionalen und teils nationalen Boulevardthemen auch mittels der Schnelligkeit des Internets Rechnung getragen werden sollte. Die Entscheidung war auch geprägt von dem Eindruck des Erfolgs vergleichbarer, bereits in Österreich und Süddeutschland etablierter Portale. Schließlich haben wir gesagt: Wir wollen das machen.

Was hat sich im Tageszeitungsbereich am gravierendsten verändert in den vergangenen zehn Jahren?

Michael Bode: Der Anzeigen- und Auflagenrückgang. Es ist nicht die fehlende Zeitung lesende Jugend, über die in unserer Branche manchmal geklagt wird. Die Jugend hat nie Zeitung gelesen, wie wir es gern hätten.

Sonja Bode: Wenn mit zunehmendem Alter der heutigen Jugend die Internet-Begeisterung sinkt, dann könnte das Individuelle wieder mehr gefragt sein und das Gedruckte wieder mehr in den Blick rücken. Es kommt oft eine Retro-Welle; vielleicht ist das beim Zeitunglesen auch der Fall. Wir haben aber auch erkannt, dass der digitale Auftritt gestärkt werden muss; er ist sehr wichtig für das Überleben eines regionalen Zeitungshauses.

In Deutschland sind erstmals Zeitungen in Insolvenz gegangen, etwa die überregionale Frankfurter Rundschau oder die Financial Times Deutschland. Dabei galten Zeitungen doch eigentlich als unkaputtbar. Haben einige Verleger das vernünftige Wirtschaften verlernt?

Michael Bode: Waschechte Verleger haben nie vernünftig gewirtschaftet. Die haben Wirtschaften nie für wichtig gehalten, ihnen galt der publizistische Auftrag. Zeitung war früher eine Gelddruckmaschine; der Unternehmer war früher nicht mit unternehmerischem Risiko gefordert. Viele haben das nicht gelernt und stehen deshalb vor einer nicht lösbaren Aufgabe. Heute ist die entscheidende Frage: "Wie habe ich die Kosten im Griff, um ein vernünftiges Ergebnis zu bekommen?"

Wie bewerten Sie die Konzentrationsprozesse im Zeitungsbereich wie etwa bei der Funke-Gruppe aus Essen (Zukauf Hamburger Abendblatt, Berliner Mopo), DuMont aus Köln, Madsack aus Hannover?

Michael Bode: Das sind logische Folgen der Wirtschaftsentwicklung, es ist die verzweifelte Suche nach Kostensenkungsmaßnahmen. Es ist teilweise eine hektische Suche nach Lösungen. Wir haben sehr früh angefangen und Versäumnisse aus der Vergangenheit korrigiert und dafür mehrere Kostensenkungsprogramme aufgelegt. Bei vielen Dingen aus der Vergangenheit ist ein wichtiger Leitsatz vergessen worden, nämlich: Was immer auch du tust, bedenke das Ende.

Sonja Bode: Die Funke-Gruppe wird die Strategie der Ertragssteigerung mittels Anhäufung einer Vielzahl von Printprodukten nur durchhalten, wenn sie durch die Zukäufe bei radikaler Kostensenkung nennenswerte Synergien erzielen kann. Dafür sind Manager und nicht Schöngeister gefragt; früher waren das die Publizisten, die die Zeitung führten. Das ist heute anders.

Bei steigendem Kostendruck läuft redaktionelle Unabhängigkeit Gefahr, von wirtschaftlichen Interessen ausgehöhlt zu werden.

Michael Bode: Redaktionelle Unabhängigkeit ist enorm wichtig. Bei uns ist sie auch durch das Redaktionsstatut, was der Redaktion große Selbstbestimmtheit und Unabhängigkeit sichert, geschützt. Die geplante Fusion zwischen Mannheimer Morgen und Rheinpfalz Ludwigshafen ist daran gescheitert. Der Verleger aus Ludwigshafen wollte die "MM"-Redaktion unterstellt haben. Dies wurde vom "MM" abgelehnt und das Vorhaben scheiterte. Die Redaktion muss selbstständig und unabhängig bleiben.

Ungeachtet dessen müssen wir untersuchen, ob nicht redaktionelle Einzelteile von außen zugekauft werden können, um das Premiumprodukt Mannheimer Morgen zu gewährleisten. Unsere Kernkompetenz liegt im Lokalen, hier vor Ort - und nicht irgendwo in der weiten Welt. Eine Redaktion muss in der Stadt eingebunden sein, muss mit den Lesern sprechen und auf Augenhöhe sein.

Mitarbeiter sind das Kapital eines Unternehmens. Gilt das heute mehr denn je - oder ist das nur noch eine Floskel?

Michael Bode: Der Erfolg ist getragen von den Mitarbeitern. Sie sind der Mittelpunkt und die ganze Kraft eines Unternehmens. Bei uns hat jeder seinen Teil zum Erfolg beigetragen - von den Gesellschaftern über die Altvorderen, Beirat, Führungskräfte, Mitarbeiter. Wir können uns dafür nur bei allen bedanken.

Sie sind beide Ferrari-Fans, haben selber bis vor neun Monaten einen gehabt. Was empfehlen Sie Formel-1-Pilot Vettel aus Heppenheim, der ja zu Ferrari will?

Michael Bode: Er sollte dreimal nachdenken, ob er nicht vom Regen in die Traufe kommt. In Maranello wartet sehr viel Arbeit.

Welche Schlagzeile möchten Sie beide einmal über den Mannheimer Morgen in der FAZ oder der Süddeutschen Zeitung lesen?

Michael Bode: "MM-Abozuwachs dank junger Leser".

Sonja Bode: "Dr. Haas GmbH nach der Krise der Zeitungsbranche gut aufgestellt - vor allem mit mehr Abos beim MM durch junge Leser".

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