Folge einer Fehlentwicklung

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Angela Merkel steht wegen ihrer Flüchtlingspolitik bei Teilen der deutschen Bevölkerung in der Kritik. Leser Bernd Mohr unterstützt die Bundeskanzlerin in ihrem Kurs und fordert ein stärkeres Miteinander.

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Zum Leserbrief "Sehr einfache Gleichung" von Armin Latell vom 13.8.:

Herr Latell hat in seinem Leserbrief die gegenwärtige Situation der Flüchtlingskrise beschrieben. Ich habe den Namen des Briefschreibers schon oft gelesen. Immer ist der Grundtenor, dass Frau Merkel an der Situation schuld sei.

Zunächst muss einmal ganz klar gesagt werden, dass die heutige Situation nicht von Frau Merkel initiiert wurde, sondern eine Folge der jahrzehntelangen Fehlentwicklung der westlichen Welt ist. Ein gewisser US-amerikanischer Präsident George W. Bush hat die arabische Welt so sehr verändert, wie nach der Kolonialzeit kein anderer Politiker. Dies sollte jeder, der hier seine Meinung abgibt, wissen. Die Folgen haben wir heute zu verarbeiten. Es ist schon schamlos, diese Tatsache zu verschweigen oder kleinzureden.

Irak-Krieg als Wendepunkt

Mit dem Eintritt in den Irak-Krieg hat der Westen sein noch einigermaßen sauberes Gesicht verloren. Erfreulicherweise hat Bundeskanzler Schröder damals die Teilnahme an den Kriegshandlungen verweigert. Eine weitere Welle - dieses Mal aber aus wirtschaftlichen Gründen - züchten wir gerade. In Zentralafrika und im Senegal arbeitet der Westen geradezu vehement an dem Aussterben der Urbevölkerung. Der Fischfang vor den Küsten und die Rodung der Wälder, um Nahrungsmittel für den Westen anzubauen, die hier zu Billigpreisen verkauft werden, sind Gründe, dass die Bevölkerung versucht, eine Möglichkeit zum Überleben zu finden - dem Hunger zu entgehen und das Land zu verlassen.

Es ist ja schon bezeichnend, dass sich die deutsche Bevölkerung in dieser Lage auf die christlichen Werte zurückzuziehen versucht. Es ist beschämend. Ich fühle mich in die Zeit des Dritten Reichs versetzt. Auch damals wurden Menschen ohne Grund verfolgt und die Welt hat sich vor der Aufnahme der Flüchtlinge gedrückt. Die Väter unseres Grundgesetzes haben deshalb ein weitgehendes Asylrecht in der Verfassung verankert, dass ein solcher Fall nicht mehr vorkommt.

Leider stirbt die Bevölkerung, die die Folgen der Politik des Dritten Reichs noch miterlebt hat, aus. Die jüngeren Generationen haben ihr Geschichtsbewusstsein scheinbar verloren. Wenn man überlegt, was diese Flüchtlinge alles in ihrem Heimatland erlebt haben und wie man hier versucht, den Menschen unsere Überlegenheit zu beweisen, dann ist es nicht verwunderlich, dass Frust und Demütigungen Zündstoff für Gewalttaten sind.

Alle gemeinsam mithelfen

Ich will hier klar sagen, dass ich gegen jede Gewalt bin. Ich weiß aber, dass Flüchtlinge nach beinahe einem Jahr in Deutschland nur Langeweile und Trübsalblasen erlebt haben. Ich muss hier die Freiwilligen loben. Ohne sie wären wir heute noch nicht so weit. Wenn Frau Merkel von "Wir schaffen das" spricht, dann meint sie nicht die Verwaltung alleine, sondern sie erwartet, dass alle gemeinsam mithelfen. Wenn von 80 Millionen Deutschen nur zehn oder 20 Millionen mithelfen, dann ist das Ziel schon erreicht.

Es ist direkt lachhaft, wenn reklamiert wird, dass die Bevölkerung nicht gefragt wurde, ob Flüchtlinge aufgenommen werden dürfen. Frau Merkel musste keinen Kniefall vor den 80 Millionen Einwohnern machen und jeden Einzelnen fragen. Es gehört zum Anstand und zum Leben in einer Gemeinschaft, dass man hilft. Nur wenn wir zusammenhelfen und uns um die Flüchtlinge kümmern und ihnen zeigen, wie man in Deutschland lebt, und wie unsere Gepflogenheiten sind, werden wir der Gewalt begegnen können. Wir werden dadurch auch von denen, die wir und die uns und unsere Verfassung akzeptieren, beim Auffinden der Terroristen unterstützt. Terroristen haben dann keine Chancen, Flüchtlinge zu akquirieren.

Auch die permanenten Nörgler, Betonköpfe und diejenigen, die aktiv an der Lunte zündeln, sollten sich mit den Menschen auseinandersetzen. Sie sind hierher gekommen, um in Frieden zu leben - und um unsere Gesetze zu respektieren. Die meisten wollen, falls es einmal in ihrem Land Frieden gibt, wieder zurück. Ich erinnere hier an die vielen Balkanflüchtlinge, die in den 1990er Jahren bei uns Zuflucht fanden, und die schon lange wieder zurück sind. Diese Flüchtlinge konnten unseren Staat nicht erschüttern - genauso wenig wie die Flüchtlinge, die heute hier leben.