Mannheim schafft sich ab

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Die neuen Planken an einem Frühlingstag 2019: So soll die umgestaltete Fußgängerzone nach 27 Monaten Bauzeit aussehen.

© Stadt Mannheim

Zum Artikel "In 23 Schritten zu neuen Planken":

Innenstädte und Fußgängerzonen werden zunehmend geprägt von Kaufhausketten. Die erkennbaren Folgen sind Verödung, Monotonie und Verlust an baulicher Vielfalt. Originelles und Liebenswertes, beides verschwindet. Innenstädte werden beliebig austauschbar. "Es tut sich was in Mannheim" liest man allenthalben und das "zum Wohle der Stadt und der Bürger." Der Bürger nimmt's hin, wird erst gar nicht gefragt. Bürgernähe oder Bürgerdialog sehen anders aus. Dahinter verbirgt sich eine geniale Verkaufsstrategie. Gewinnmaximierung um jeden Preis, diese Einstellung allein bestimmt das Handeln. Innenstädte, wie in Leipzig, Hamburg, München, Heidelberg, werden geschätzt wegen ihres unverwechselbaren Charakters früherer Stilepochen. Mannheim schafft sich ab.

Wie im "Mannheimer Morgen" zu lesen war, erarbeitet die Stadt eine Gestaltungsrichtlinie, an der sich der Bürger zu erfreuen hat. Barrierefreie Haltestellen, neue Schienen, doppelreihige Bänke, dezente Lichtmasten, unterirdische Abfallentsorgung, schmutzfestes Pflaster etc. Sind es wirklich diese Attribute, welche eine Flanier- und Einkaufsmeile ausmachen? Lässt die Umgestaltung noch Raum für Bäume?

Bei diesem Innovationsschub stellt sich zwangsläufig diese Frage. Natürlich kann man Bäume fällen und durch raumsparende Bodendecker wie Gänseblümchen ersetzen. Fällen ist zudem eine gern geübte Praxis in Mannheim. Ist das aber wirklich der Wunsch und Wille der Bürger? Zweifel sind angebracht. Es ist angemessen, in den Planken neue Akzente zu setzen. Vor dem Abriss sollte man sich jedoch über den Erhalt des vorhandenen Gedanken machen. Bestehendes zu bewahren ist eine Herausforderung. Vertrautes erzeugt Wohlbefinden. Abriss ist keine herausragende Leistung.

Beängstigend ist allerdings die Verkehrsdichte der Planken. Sie unterscheidet sich in keiner Weise von angrenzenden Straßen. Eine Verkehrsberuhigung wäre eine sinnvolle erste Maßnahme. Zweifelsfrei wirkungsvoller als dezente Lichtmasten. Solange man sich in Mannheim jeglicher Abfälle ungestraft entledigen darf, wird sich an den beklagenswerten Zuständen in den Planken - inzwischen besser bekannt als Müllmeile - nichts ändern. Der Verfasser legt wert darauf, dass bezüglich Sauberkeit nicht das Ordnungsamt an den Pranger zu stellen ist, sondern die Bevölkerung als Verursacher. Verstöße jeglicher Art werden in Mannheim zu Recht geahndet. Mit ungläubigem Erstaunen muss man jedoch zur Kenntnis nehmen, dass jedermann seinen Abfall fallenlassen darf, wo immer es ihm beliebt.

Mangel an Erziehung

Ein Gewohnheitsrecht oder Mangel an Erziehung? Fußgängerzonen, Parkanlagen, Haltestellen verkommen so zu Müllhalden. Selbst sogenannte Schwellenländer, über die wir so gern belehrend die Nase rümpfen, sind uns um Längen voraus. Mannheim hat gute Gründe aus der Vergangenheit zu lernen.

Als der Verfasser vor Jahren nach Mannheim zog, gab es ein geflügeltes Wort "Das Schönste an Mannheim sind die Autobahnen in die Pfalz und in den Odenwald". Damals fand ich das ungerecht und konnte es nur schwer verstehen. Heute fällt es mir leicht. Brüssel wird auch die Gestaltung von Fußgängerzonen in naher Zukunft reglementieren. Mannheim, das ist zu befürchten, verfügt dann bereits über eine blutarme Innenstadt; ist somit der Zeit voraus. Auch das verdient Beachtung. Den Entscheidungsträgern Mannheims wird Friedrich Hölderlin zur Pflichtlektüre empfohlen "Aus bloßem Verstand ist nie Verständiges, aus bloßer Vernunft ist nie Vernünftiges gekommen."

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