Zum Kommentar "Opfer des Systems" vom 9. Februar:
Es ist geradezu lächerlich, wie die Medien ihre soziale Verantwortung verstehen. Im Zusammenhang mit dem Thema Altersarmut wird ein "System" angeführt, das diese Armut verursache. Das soll wohl so klingen, als handele es sich dabei um eine Art Naturgesetz wie bei Gravitation oder Magnetismus. Man sollte wahrheitsgemäß schreiben, dass unsere Politiker es genau so wollen wie es ist, und dass man es auch keinem Politiker sagen muss, wie es ist.
Folgen sind gewollt
Es sind politische Entscheidungen, die in Gesetze gegossen wurden und deren Folgen gewollt sind. Was kann man denn von Politikern erwarten, denen erst vor Kurzem überhaupt ein Mindestlohn abgerungen wurde, der nun aber bekanntermaßen in zahllosen Fällen wieder unterlaufen wird? Was kann man von Politikern erwarten, die auch bei der viel schlechter bezahlten Leiharbeit oder unentgeltlichen Praktika keinen nennenswerten Handlungsbedarf erkennen? Wenn große Konzerne kaum Steuern zahlen oder riesige Managergehälter nicht stärker besteuert werden? Steuern heißt Steuern, weil man damit steuern kann. Und mit Gesetzen kann man steuern und wird entgegen aller Scheinheiligkeit gesteuert.
Streiten kann man nur über die Richtung. Wenn dann in diesem Zusammenhang auf die Alterspyramide verwiesen wird, so offenbart dies nur die gesamte Scheinheiligkeit der Welterklärer. Die Umrechnung, dass ein arbeitender Mensch nur einen anderen Menschen im Alter unterstützen könne, ist seit der Industrialisierung die beliebteste Mär. Politiker und Medien halten ihre Wähler und Leser sogar für so einfältig, dass sie diesen unterstellen, dass sie nicht einmal den Aussagen und Kommentierungen ihrer Tageszeitung über eine Woche geistig folgen könnten. Bei zu vielen haben sie offenbar recht.
Von Lobby-Fraktion gelenkt
So kann man unbeanstandet an einem Tag sprudelnde Steuerquellen vermelden und zwei Tage später die Bedrohlichkeit eines Systems aufzeigen. Das geschieht seit Längerem nahezu Woche für Woche. Dass durch Steuersätze, Beschäftigungsvorschriften und Ähnliches ohne größere Probleme die systematischen sozialen Ungleichgewichte gemildert werden könnten, greift man erst gar nicht auf.
Statt von "System" sollte man von "unserer gewählten Sozialordnung" sprechen, da hierfür schließlich nicht nur die von einer breiten Lobby-Fraktion gesteuerten Politiker (vergleiche Rechtsstreite zwischen "Abgeordnetenwatch" und der Bundestagsverwaltung über die Herausgabe von Lobbyisten-Verzeichnissen, Nebenverdiensten und Parteispenden), sondern eben auch die Wähler verantwortlich sind.
Wann hört man zudem auf, von einer "Bedrohung durch Altersarmut" zu sprechen? Es geht hier kaum um eine Bedrohung, das heißt ein in der Zukunft liegendes ungewisses Ereignis, sondern um reale und aktuelle Fakten. Jeder Mensch ist vom Tode bedroht, ohne dass man dieses Bedrohungsszenario ständig thematisiert. Aber es ist ein gewaltiger Unterschied, ob man von Armut bedroht ist, oder arm ist. Das Gerede von einer Bedrohung verharmlost ganz bewusst die Fakten.