Die Frage, ob der Mannheimer Morgen nun aktiv in den OB-Wahlkampf eintreten will, stellt sich angesichts von zwei Veröffentlichungen dieser Zeitung in den vergangenen Tagen. Zunächst kommentierte MM-Redakteur Ragge die Rede von Oberbürgermeister Peter Kurz (Bild) im Rahmen des Neujahrsempfangs als "ein in Details verliebter, mit zu vielen Zahlen gespickter dröger Rechenschaftsbericht".
Das haben allerdings nicht nur ich, sondern alle Personen, die bei dieser Rede um mich herum saßen, und viele von denen, mit denen ich hinterher darüber sprechen konnte, ganz anders gesehen.
Fast muss ich mich schon fragen, ob wir tatsächlich der gleichen Veranstaltung beiwohnten. Diejenigen, mit denen ich sprach, erlebten diese Rede als sachlich und kompetent, nicht parteipolitisch motiviert (was sich in dieser Rolle auch verboten hätte) und dabei gleichzeitig als Ermutigung für ein gemeinsames Leben in dieser Stadt, mit Respekt füreinander, auch gegenüber dem politischen Gegner. Und genau das ist, was ein Oberbürgermeister in solch einem Rahmen im besten Fall leisten kann.
Dass diese Rede immer wieder spontan vom Beifall der etwa 3000 Besucher unterbrochen wurde, spricht wohl für sich.
Noch deutlicher wird der MM aber am darauffolgenden Tag, an dem er einen vom Inhalt her nicht nachvollziehbaren und dabei in Sprache und Stil geradezu ehrverletzenden Leserbrief eines Bürgers abdruckt, der seine persönliche Abneigung gegen den Oberbürgermeister nicht verbergen kann oder will, und diesen dann auch noch mit einem Bild des hier Kritisierten aufwertet.
Freilich steht es Herrn Ragge frei, die Rede des OB Kurz ganz anders zu erleben als offenbar viele Andere dies taten. Und ebenso unstrittig ist es jedem Bürger möglich, seine persönliche Abneigung gegen die Person des Stadtoberhaupts kundzutun. Wenn der MM solchen Äußerungen aber derart viel Raum gibt, dann fragt man sich schon, ob hier statt Berichterstattung nicht eher Politik gemacht werden soll.
