Nicht vergessen, stets vor der eigenen Haustüre zu kehren

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Der Politikwissenschaftler Stephan Bierling hat mit seinem Gastbeitrag in dieser Zeitung, in dem er sich mit den Gefahren für die Demokratie auseinandersetzte, Emotionen bei den Lesern ausgelöst. Das Bild entstand in München, wo Menschen für den Erhalt der Demokratie auf die Straße gegangen sind.

© dpa

Zum Gastbeitrag "Die Demokratie im Fadenkreuz autoritärer Regierungen" von Stephan Bierling vom 3. August:

Herr Bierling beschreibt das Hier und Jetzt aus der überheblichen Warte des überzeugten Europäers. Waren die benannten Länder jemals nicht autoritär? Ist ihr momentanes Agieren nicht eher der Abwehr freiheitlich-demokratischer Einflüsse geschuldet, die sie fürchten? Ist die gewachsene, westlich geprägte Demokratie wirklich alternativlos, der Weisheit letzter Schluss? Basiert nicht zuvorderst dieser Kompromiss auf dem Wunsch des Individuums nach Freiheit und, wenn möglich, im Streben nach etwas gleicher als gleich? Wären wir auch dann noch aufrechte Demokraten, wenn unser Weg nach oben in einem mitreißenden Murenabgang endete?

Damit sind wir beim Knackpunkt: Ein Jeder strebt zum Licht! Schon um eines geringen Vorteils willen sind schnell Mitmenschlichkeit und Gleichheit über Bord geworfen. Im Großen gehören dazu: Zweckbündnisse, Seilschaften und Parteinahme. Andersartigkeit und nichtkonformes Verhalten werden ausgegrenzt, unterdrückt oder zum Verlassen der homogenen Gemeinschaft genötigt (heute noch in ländlichen Gegenden allgemeine Praxis).

Dem gegenüber steht das Ideal der Demokratie als gelebte Humanität auf freiheitlicher Grundlage. Diese Doktrin dürfen wir mit Fug und Recht in die Welt tragen! Sind es aber nicht die Demokratien der Welt selbst, die ihre Heilslehre um persönlicher Vorteile willen verwässern? Sich den Regimen mit Krämerseele andienen und deren Herrschaft am Leben halten? Deutschland benötigte 500 Jahre unter teils schwersten Geburtswehen, um Fürstenherrlichkeit und Diktatur hinter sich zu lassen.

Es würde uns gut anstehen, den Völkern, die nie etwas anderes gekannt haben, als ihre Häupter zu beugen, mit etwas mehr Langmut, Toleranz und wohldosierter Hilfe zur Selbsthilfe zu begegnen. Sich selbst bewusst sein und nötige Demut schließen einander nicht aus - und, nicht zu vergessen, stets vor unserer eigenen Haustüre kehren! Andreas Weng, Mannheim

Als ich den Bericht des Herrn Bierling auf der Seite 3 zur Kenntnis nahm, hatte ich Mühe, mich nicht telefonisch über den unerträglichen Stuss dieses Herrn zu beschweren. Selten eine derartige Hetze gelesen. Ich werde mich zu den aufgeführten Einzelheiten nicht äußern, da ich mich sonst der Gefahr aussetzen würde, aufgrund "Hate-speech" von der "Maasmännchen-Truppe" und dem Staatsschutz verfolgt zu werden. Nur so viel: Wer trägt die Schuld am "arabischen Frühling", der den Staaten Irak, Libyen, Afghanistan, Syrien und Tunesien "westliche Werte" aufzwingen wollte? Die Russen? Die Chinesen? Naja, die Vita des Herrn Bierling sagt ja aus, wessen Geistes Kind er ist. Warum der "MM" diesem Herrn eine ganze Seite zur Verfügung stellt, um seine kruden Gedanken zu Papier zu bringen, entzieht sich meiner Kenntnis. Günther Hübsch, Ladenburg

Was hat sich der "Mannheimer Morgen" dabei gedacht, solch einen Beitrag des "Politikwissenschaftlers" Bierling abzudrucken? Wäre keine Namensnennung dabei gewesen, hätte ich angenommen, der Beitrag wäre von einem US-Propagandaapparat erstellt worden. Bierling lässt jede für redliche Wissenschaftler selbstverständliche Objektivität vermissen. Ehrlicherweise versucht er auch nicht, diese irgendwie vermitteln zu wollen.

Was will man von jemandem erwarten, der die EU und die NATO als die beiden wichtigsten demokratischen Institutionen der Welt ansieht? Sicher gibt es an Russland einiges zu kritisieren. Und erst recht an den anderen von ihm genannten Staaten. Aber den Hauptverursacher von Not und Elend auf der Welt, die US-amerikanischen Eliten, kritisiert er nicht. Im Gegenteil sogar will er uns allen Ernstes Glauben machen, dass diese nur Demokratie und Wohlstand auf der Welt schaffen wollen. Kein Diktator war den USA in den letzten 150 Jahren zu blutig, solange er die Interessen der USA in seinem Land durchsetzte.

Die USA hätten das Potenzial, in ihrem Land selbst und auch im Rest der Welt Demokratie und Wohlstand zu schaffen. Aber so wie sie es in der Vergangenheit versucht hatten, war es leider nicht erfolgreich. Wie passt es zusammen, dass aufgrund westlicher Wirtschaftssanktionen gegen Russland die EU-Länder weniger, die USA dafür aber mehr Handel mit Russland betreiben? Solche Ungereimtheiten ließen sich noch endlos auflisten. Wenn Herr Bierling wieder mal was im "MM" schreiben darf, sollte er unbedingt auf die Wahlmanipulationen in den USA eingehen. Das Clintonlager hat in undemokratischer Weise den innerparteilichen Konkurrenten Bernie Sanders behindert und die Vorwahlen manipuliert. Ist das vorbildlich? Matthias Hördt, Weinheim

Selten war ich so gefesselt und emotional berührt von einem Artikel im "MM" wie bei diesem. Bei der Lektüre des Artikels haben sich mir neue Zusammenhänge erschlossen und ich glaube nun, besser zu verstehen, welche Motive hinter den Handlungen von Regierungschefs diktatorischer Regime stehen. Unsere Demokratie ist in Gefahr und viele Menschen kümmern sich nicht darum oder wünschen sich sogar, dass die Europäische Union aufgelöst oder zumindest geschwächt werden sollte - und sie wissen scheinbar nicht, was das für einschneidende Veränderungen und Nachteile für sie selbst und uns alle bedeuten würde!

Wütend machte mich der Gedanke an den "Kauf" westlicher Politiker durch Diktatoren - so geschehen durch Wladimir Putin, indem er Gerhard Schröder nach seiner Niederlage bei der Bundestagswahl 2005 einen Vorstandsposten bei Gazprom verschaffte, um zynische Kritik an den demokratischen Funktionsträgern anzuheizen. Noch wütender macht es mich, dass das diktatorische Regime in Russland mit rechtsradikalen und europafeindlichen Parteien zusammenarbeitet und sie finanziell unterstützt, um das Europäische Parlament zu beeinflussen und zu schwächen. Sehr besorgt bin ich über unsere Zukunft in Europa, wenn es wieder in Einzelstaaten zerfallen sollte und damit als Bollwerk gegen die Diktaturen der Welt und als Modell für andere, sich zur demokratischen Staatsform hin entwickelnde, Länder ausgedient hätte.

Ich sehe mich schon in 25 Jahren als Rentnerin in einem deutschen Ein-Parteien-Staat leben, in dem alle Medien regierungstreu sind und in dem Minderheiten, kritische Journalisten, Schriftsteller, Künstler und Andersdenkende in Angst vor staatlicher Repression leben müssen und keine Möglichkeit hätten, an die Öffentlichkeit zu treten und alle anderen zu erreichen.

Ich würde wehmütig zurückblicken und Jüngeren von den "goldenen Zeiten" erzählen, als freie Meinungsäußerung, demokratische Strukturen und die Einmischung des einfachen Bürgers eine Selbstverständlichkeit und gewünscht waren. Ich frage mich, was ich dazu beitragen kann, damit es nicht so kommt und komme zu diesem Ergebnis:

1. Gehe immer wählen und nutze das Recht, das dir gegeben ist, solange das Wahlrecht frei, gleich und geheim ist.

2. Werde Mitglied in einer demokratischen und europafreundlichen Partei und unterstütze sie finanziell.

3. Bringe dich aktiv ein, gehe zu Versammlungen, beziehe Stellung, trete in Kontakt mit anderen, tausche dich aus und rede auch mit Nichtaktiven darüber, gewinne sie für die Sache der Demokratie!

Sie wurde hart erkämpft und bitter verloren in der griechischen und römischen Antike und besteht nun in Europa und Amerika mit wenigen und gefährlichen Phasen der Unterbrechung oder Schwächung. Sie kann wieder verloren gehen. Carolin Schmid, Mannheim