Soziale Netzwerke als Chance für junge Unternehmen

Den Kunden im "Netz"

Von 
Anne-Kathrin Jeschke
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Das Stiefkind kann auch mal sauer werden: "Stiefmutter" Magdalena Schneider hat Unternehmenskommunikation studiert.

© akj

Acht, neun Stunden pro Tag ist Rebecca Floeter-Heist aus Brühl in der Nähe von Mannheim beruflich online. Viel Zeit davon verbringt die 28-Jährige auf YouTube, bei Instagram, Twitter oder Facebook. Über 60 000 Abonnenten beim Videoportal YouTube, fast 30 000 Follower beim Fotodienst Instagram wollen schließlich beliefert werden: mit neuen Videos und Bildern, mit Schmink- oder Einkaufstipps. Floeter-Heist beantwortet Kommentare der Fans, pflegt ihren Online-Shop für Kosmetikzubehör, wirbt für Produkte diverser Hersteller. In einem der aktuellsten Beiträge zum Beispiel vom Lippenstift über die Zahnpasta bis hin zur schicken Sonnenbrille.

Adressen

Videos von Rebecca Floeter-Heist: youtube.de/rebeccafloeter

Rot und sauer präsentiert sich der Saft von Magdalena Schneider: facebook.com/deinstiefkind

Alles über die Mannheimer Herrensocken von Stilfaser: facebook.com/vonJungfeld

Stork & Fox bei Facebook: facebook.com/storkfox.fashion.

Schon 2009 begann die junge Frau, YouTube-Videos zu drehen. Damals stellte sie "noch ganz zögerlich" eine Deko- und Aufbewahrungsidee für Make-up-Pinsel vor: gebastelt aus einer einfachen Christbaum-Dekokette und einem Glas. Sie habe schon immer "einen Hang zu Lifestyle- und Beautythemen gehabt", erzählt sie. Damals allerdings war ihr "noch gar nicht klar, dass man damit auch Geld verdienen kann".

Der Erfolg kam wie von selbst: Schon nach einem Jahr hatten über 10 000 YouTube-Nutzer ihren Kanal abonniert. Wenige Monate später kann sie von ihren Aktivitäten im Netz leben. Rebecca Floeter-Heist hat ihr Hobby zum Beruf gemacht - mit Hilfe von beziehungsweise allein durch Soziale Medien. Aber: "Das kann natürlich auch sehr stressig sein", räumt die Geschäftsfrau ein. Man laufe schon Gefahr, irgendwann nur noch vor dem Handy zu hocken, um alle Kanäle zu bedienen.

Für Start-ups mit geringem Budget sieht Florian Stahl, Professor für Marketing an der Universität Mannheim, die sozialen Medien als "richtigen Ansatz", um sich und das Produkt oder die Dienstleistung bekanntzumachen. Und doch warnt Stahl vor dem Trugschluss, die Kanäle würden einfach und schnell bedient: "Man braucht Ressourcen personeller wie finanzieller Art. Und eine Strategie: Auf welchen Plattformen treffe ich meine Zielgruppe an? Wie generiere ich Reichweite? Was ist meine Botschaft?" Rebecca Floeter-Heist gibt teilweise auch Geld dafür aus, dass ihre Inhalte bei Facebook oder YouTube mit größerer Reichweite platziert werden.

Das macht auch das Team von Stork & Fox gelegentlich, einem jungen Mannheimer Modelabel, das mit nachhaltigen Materialien und fairen Arbeitsbedingungen wirbt. Bislang sei die digitale Kommunikation für das Start-up noch "relativ kostengünstig", sagt eine Sprecherin. Allerdings hat Stork & Fox auch noch keinen festen Social-Media-Beauftragten. "Aber das ist geplant - und der muss dann natürlich auch bezahlt werden."

Die Gründer machen online mit einem kurzen Video auf sich und ihre Mode aufmerksam: entstanden in düsterer Industriekulisse, mit grellem Licht und Nebelschwaden, mit Farbspritzern und sprießenden Grünpflanzen, mit Fuchs- und Storchenmaske. Außerdem mit professioneller Unterstützung: Das Video sei gemeinsam mit einem Ravensburger Start-up entstanden, einer Agentur, die Bewegtbildformate produziert. "Wir hatten Lust, zusammen kreativ zu sein", erklärt die Sprecherin. Die "Schauspieler" kommen aus dem eigenen Team.

Die Kommunikationsberaterin Kerstin Hoffmann, die unter anderem an der Universität in Düsseldorf Public Relations und digitale Strategien lehrt, findet es für Unternehmen heute unabdingbar, die digitalen Kanäle in ihre Kommunikationsstrategie einzubeziehen. "Start-ups können sich dank der sozialen Medien aus eigener Kraft ins Gespräch bringen." Dabei sei es aber mit Aktionismus nicht getan, denn Kommunikation sei ein Handwerk, das Fachwissen brauche: Jemand, der sich in der digitalen Welt gut auskenne, habe schließlich "nicht automatisch auch Vertriebs- oder Marketingkenntnisse".

"Virale Effekte sind nicht planbar", betont Hoffmann. Völlig klar: Unternehmer, die sich im Internet präsentieren, sind Kritik offen ausgesetzt. Und selbst wenn Start-ups noch keine große Reichweite haben, warnt Hoffmann: "Auch im kleinen Kreis kann man sein Image nachhaltig beschädigen." Marketing-Professor Stahl sieht das etwas gelassener: "Grundsätzlich ist es wichtig, dass überhaupt über einen gesprochen wird." Das Schlimmste sei nämlich, gar kein Thema zu sein. "Jeder Schritt, alles, was du sagst oder schreibst, muss gut überlegt sein", weiß Rebecca Floeter-Heist. Bislang sei sie von einem Shitstorm, also einem Sturm der Entrüstung gegen sie im Netz, verschont geblieben.

Auch für das Mannheimer "Vorzeige-Start-up" Stilfaser, das die Herrensockenmarke "von Jungfeld" vermarktet, sind die Sozialen Medien "ein superwichtiger Kanal". Fast 30 000 Klicks hat das Video, in dem die Geschäftsführer Maria Pentschev und Lucas Pulkert - nur mit Socken bekleidet - für eben diese werben, bereits bei YouTube gesammelt. "Natürlich trifft uns negative Kritik", sagt Pulkert. Aber: "Sie ist absolut legitim - und sie hilft uns, zu sehen, ob wir noch das richtige Gespür für unsere Zielgruppe haben." Für Pulkert sind die sozialen Medien nicht der "alleinige Heilsbringer", aber "ein wichtiges Werkzeug von vielen".

Studierte Kommunikations-Expertin und Jung-Unternehmerin ist Magdalena Schneider aus Edingen, die den Stiefkind-Apfelsaft vertreibt. Für ihre Marketing-Strategie ist sie bereits von einem Branchenmagazin ausgezeichnet worden. Bei Facebook kommt das Stiefkind selbst zu Wort, berichtet den Fans, wann es wo anzutreffen ist. Dabei spiele sie mit den Alleinstellungsmerkmalen des Safts, so Magdalena Schneider: "rot und sauer". "Besucht mich, sonst werd ich sauer!", warnt das Stiefkind etwa. Mit dieser "gesunden Mischung aus Information und Entertainment" will Magdalena Schneider "die Marke in den Köpfen der Konsumenten emotional und damit nachhaltig verankern". Vorteil sei, die Kunden online in ihrem Alltagsumfeld zu erreichen und mit ihnen interagieren zu können.

Kerstin Hoffmann warnt deswegen davor, die sozialen Medien als reine Werbeplattform zu nutzen: "Denn auf einer Party will ich auch nicht, dass mir jemand eine Versicherung verkauft." Rebecca Floeter-Heist postet durchaus auch Bilder oder Videos aus ihrem Privatleben, das gehört zu ihrer Marke. Der Fokus, sagt Hoffmann, müsse immer auf den Bedürfnissen des Empfängers liegen. Daran arbeitet Floeter-Heist konsequent, denn "die Zeiten werden härter, die Konkurrenz wächst". Ständig fragt sie sich: "Wo finde ich eine Nische? Welches soziale Medium ist das nächste, das kommt? Muss ich jetzt eine jüngere Zielgruppe ansprechen, weil die älteren Nutzer weniger Zeit im Internet verbringen?" Während viele vom Instant Messenger Snapchat wohl noch gar nichts gehört haben, zählt sie ihn schon zu den aktuell wichtigsten Kanälen: "Da fahren jetzt alle total drauf ab."

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