Der Geschmack der Heimat

Von 
Simone Sohl
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Gastronomie, Eventmanagement, Reisebranche - Mehtap Özdemir hat in vielen Geschäftsfeldern Erfahrung gesammelt, bevor sie in den Lebensmittelgroßhandel einstieg. Heute führt sie ihr eigenes Unternehmen.

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Essen ist Kultur, das steht für Mehtap Özdemir fest. Und darum hat Essen bei ihr auch viel mit ihren türkischen Wurzeln zu tun. "Ich finde es wichtig, dass auch junge Leute in Deutschland noch die Dinge kennen, die ihre Großeltern in der Türkei gegessen haben - Tahin zum Beispiel oder Pekmez." Die 42-Jährige sorgt unter anderem dafür, dass es Tahin und Pekmez, also Sesambrei und Traubensirup, in Deutschland zu kaufen gibt - in türkischen Supermärkten: Ihr Unternehmen Metafood vertreibt türkische Lebensmittelprodukte in Deutschland.

Metafood

  • Als Lebensmittelgroßhandel beschäftigt sich die Mannheimer Metafood GmbH mit dem Vertrieb von türkischen Lebensmittelprodukten.
  • Im festen Sortiment befinden sich neben Süßwaren von Sebahat auch Fisch von Dardanel und Olivenöl von Ravika.
  • Inhaberin Mehtap Özdemir ist Vorstandsmitglied des Türkisch-Deutschen Unternehmerverbandes (TDU) Pfalz. sos

Dass sie in der Lebensmittelbranche tätig ist, sei eigentlich Zufall, sagt die Geschäftsführerin. Sie sitzt in ihrem Bürostuhl im Firmensitz in Mannheim-Neckarau und erzählt, wie es dazu kam: Aufgewachsen in Eberbach, absolvierte sie zunächst eine Ausbildung in der Gastronomie, später organisierte sie Events im Session Kulturwerk Walldorf und führte ein Reisebüro in Schwetzingen. "Ich kann überall einsteigen", sagt Özdemir. So überlegte sie nicht lange, als die Firma Sebahat, ein Hersteller türkischer Süßigkeiten, ihr 2002 vorschlug, die Marke im süddeutschen Markt einzuführen. "Studieren musste ich dafür nicht - ich hab' mich einfach getraut."

Özdemir begann mit Marktforschung. "Ich musste erst einmal herausfinden, welche Konkurrenz es gibt, wie die Preise liegen und was noch benötigt wird." Die junge Frau erledigte alles auf eigene Faust - "an die Hand genommen hat mich da niemand". Anfangs sei der Umsatz nicht der Rede wert gewesen, aber dann, ein paar Monate und Fernsehwerbespots auf türkischen Sendern später, lief das Geschäft an. Angesiedelt war es von Anfang an in Mannheim - das bot sich an, weil viele Menschen aus der Türkei dort leben und am Wochenende weitere aus der Region zum Einkaufen kommen.

Viele Mitarbeiter hatte Özdemir nie - mehr als ein paar Fahrer und Lageristen brauchte sie nicht. Wenn es erforderlich war, setzte sie sich selbst in den Gabelstapler oder in den Lieferwagen, um zum Kunden zu fahren. "Ich hab' immer mit angepackt." Das ist auch heute noch so. Die resolute Reilingerin ist nach eigenen Angaben die einzige Frau in Deutschland, die eigenständig einen Lebensmittelgroßhandel führt. Den Schritt von der Sebahat-Niederlassung zur eigenen Firma wagte sie, weil sie immer mehr Angebote von anderen Firmen bekam. "Ich habe vieles abgelehnt, aber ich hatte Lust, neben Sebahat auch andere Marken zu verkaufen."

So gründete Özdemir 2011 mit Metafood ihre eigene Firma, die neben den Sebahat-Produkten auch einige andere Lebensmittel vertreibt. "Dabei achte ich aber genau auf die Qualität", sagt sie. "Ich arbeite nur mit Firmen zusammen, bei denen ich weiß, wie produziert wird." In einem Regal in ihrem Büro stehen ein paar Beispiele: Thunfischdosen von Dardanel etwa oder Olivenöl von Ravika.

Produziert wird der Großteil der Waren, die Özdemir vertreibt, in der Türkei, weshalb Einfuhrsteuer bezahlt werden muss. Beim Olivenöl, aber auch bei den Sebahat-Süßwaren, spiegelt sich das im Preis wider. "Wenn ich sehe, zu welchen Preisen manche Konkurrenten ihre Marmeladen verkaufen, muss ich mich doch wundern, wie das möglich sein soll", sagt Özdemir.

Momentan schmiedet die Reilingerin schon wieder neue unternehmerische Pläne - welche, will sie allerdings im Moment noch nicht verraten. Ihre Geschäftsnotizen der vergangenen 13 Jahre wird sie auf jeden Fall aufbewahren. "Da stecken viele wichtige Erfahrungen drin", sagt sie. "Die kriegen mal meine Enkel."

Bleibt noch die Frage, welches Produkt die Chefin selbst am liebsten mag. Sie überlegt kurz: "Lokum mit Kaffeegeschmack!" Bei aller Liebe zur türkischen (Ess-)Kultur hat Mehtap Özdemir aber nichts gegen kreative Fusionsküche. "Mein Sohn konnte mit Pekmez früher gar nichts anfangen", verrät sie. "Irgendwann kam ich dann auf die Idee, Crêpes zu machen und sie damit zu bestreichen. Und das liebt er." Hauptsache, der Geschmack der Heimat gerät nicht in Vergessenheit.

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