Gesundheitswirtschaft

Gesunde Branche

Von 
Frank Schumann
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Beim Thema Gesundheit denken viele Menschen wahrscheinlich zuerst an ihren Hausarzt, an die Apotheke um die Ecke oder das Fitnessstudio, das sie wieder einmal besuchen sollten. Dass die Gesundheitswirtschaft eine der wichtigsten Branchen des Landes ist, darauf kommen auf Anhieb wohl nur die wenigsten. Dabei sind schon die Zahlen für die Region beeindruckend: Laut Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar beschäftigten die rund 3600 Betriebe der Gesundheitswirtschaft vergangenes Jahr etwa 70 000 Mitarbeiter - 2000 mehr als im Vorjahr.

Dass sich die Branche im Aufwärtstrend befindet, zeigte zuletzt auch eine IHK-Konjunkturumfrage für Baden-Württemberg. Demnach verbesserte sich das Geschäftsklima in der Gesundheitswirtschaft im Vergleich zum Vorjahr um 14 Punkte auf 143 Zähler und liegt damit "noch einmal deutlich über dem ohnehin guten Schnitt aller Branchen in Baden-Württemberg". Allerdings ist die Stimmung nicht völlig ungetrübt: Kopfzerbrechen bereiten den Unternehmen wirtschaftspolitische Weichenstellungen in Kombination mit dem bereits bestehenden Fachkräftemangel.

"Anstatt den Problemen des demografischen Wandels entgegenzuwirken, setzt die Politik eher Anreize für ältere Mitarbeiter, wieder früher in Rente zu gehen. Diese Arbeitskräfte werden jedoch in den Unternehmen dringend gebraucht - und das nicht nur im Gesundheitssektor", heißt es bei den baden-württembergischen IHK. In der Tat spielt das Thema Mitarbeiter für die Branche eine zentrale Rolle - sie ist nach Angaben der IHK Rhein-Neckar der beschäftigungsstärkste Wirtschaftszweig in der Region.

Die starke Stellung erklärt sich unter anderem aus den Universitätskliniken in Mannheim und Heidelberg, die ein wichtiger Anker für die Gesundheitswirtschaft sind. Ein anschauliches Beispiel dafür bietet die Gesundheits-Sparte von Siemens. Der Mannheimer Standort lieferte zu Beginn des Jahres einen neuen Computertomographen an das Mannheimer Universitätsklinikum. Geschätzter Preis: mindestens eine Million Euro. Siemens profitiere davon, dass die Region ein international renommierter Medizinstandort sei, teilte der Konzern damals mit.

Das in der Region traditionell sehr gute Verhältnis zwischen Wissenschaft und Unternehmen drückt sich aber nicht nur in kostspieligen Großaufträgen aus. So hat die Wirtschaftsförderung der Stadt Mannheim das Cluster Medizintechnologie ins Leben gerufen - als zweiten Schwerpunkt neben der Kultur- und Kreativwirtschaft.

Eine Studie der Beratungsunternehmen Roland Berger und ExperConsult hatte 2009 herausgefunden, dass diese Sparte in Mannheim hohes Wachstumspotenzial aufweist. Die Experten bezifferten die mögliche zusätzliche Wertschöpfung des Sektors auf 136 Millionen Euro. Zusätzlich sahen sie in der Medizintechnik Potenzial für 2000 neue Arbeitsplätze in Mannheim.

Einen wichtigen Baustein des Clusters brachte der Gemeinderat vor wenigen Wochen auf den Weg. Die Stadt beantragt nach einem entsprechenden Beschluss im Rahmen eines Landeswettbewerbs EU-Mittel für ein "Business Development Center" (BDC). Dieses soll erster und wichtigster Baustein eines Medizintechnologie-Campus' werden, der Platz für Unternehmen und Forschungseinrichtungen bieten soll. "Das ist ein zentrales Projekt für die wirtschaftspolitische Entwicklung der Stadt und ein klares Bekenntnis zum Wissenschaftsstandort", kommentierte Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) den Beschluss. Falls das Vorhaben im Rahmen des Wettbewerbs als Leuchtturmprojekt ausgewählt wird, will die Stadt 17,7 Millionen Euro in den Bau des BDC investieren.

Neben die neue Einrichtung tritt ab Anfang 2015 zusätzlich das Gründer- und Kompetenzzentrum Cubex 41. Bis zu 24 neu gegründete Unternehmen (Start-ups) sollen sich hier einmal niederlassen. Auch im Cubex 41 ist die Nähe zwischen Wissenschaft und Wirtschaft groß: Dort soll unter anderem die Fraunhofer Projektgruppe für die Automatisierung in der Medizin und Biotechnologie arbeiten.

Die Gesundheitswirtschaft der Region besteht allerdings nicht nur aus global tätigen Konzernen wie Roche, hoch spezialisierten Wissenschaftlern und fortschrittlichster Technologie - zur Branche zählt etwa auch das engagierte Pflegepersonal. 9000 Menschen sind laut IHK Rhein-Neckar in Pflegeheimen der Region tätig, nach dem Klinikpersonal die zweitgrößte Beschäftigtengruppe. Und auch der Wunsch nach ganz persönlichem Wohlbefinden kurbelt die Branche an. Die Bereitschaft, für individuelle Gesundheitsleistungen zu bezahlen, nimmt nach Einschätzung der IHK weiter zu. Davon profitieren zum Beispiel auch Fitnessstudios. Und die haben, wie etwa Pfitzenmeier und Sportomed bereits den nächsten Trend aufgespürt: das betriebliche Gesundheitsmanagement. Denn in Zeiten des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels erkennen Unternehmen immer mehr, dass Gesundheit aus Sicht der Beschäftigten ein wichtiger Faktor für Zufriedenheit, Motivation und Identifikation mit dem Arbeitgeber ist.

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