Mehr Durchblick als mit Röntgenstrahlen

Das Bensheimer Unternehmen ProxiVision macht das Innenleben von Bauteilen sichtbar. Und zwar schneller und präziser, als das bislang möglich war. Die Technologie dazu ist ein neuartiger Neutronendetektor.

Von 
Thomas Tritsch
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Neutronendetektoren durchdringen etwa Flugzeugbauteile.

© FOTOLIA/Sergey Nivens

Ein Industriegebiet am westlichen Stadtrand von Bensheim. Hinter der unscheinbaren Gebäudefassade von ProxiVision verbirgt sich eine Hightech-Denkfabrik mit 65 Mitarbeitern. Ein Spezialgebiet sind sogenannte Solar-Blind-Bildverstärker, die nur Licht unter einer Wellenlänge von 300 Nanometern erkennen. In diesem Spektralbereich existiert kaum Licht in der Atmosphäre, weil es von der Ozonschicht der Erde herausgefiltert wird. Heiße Gase imitieren diese Lichtstrahlung - zum Beispiel der Ausstoß von Lenkraketen.

ProxiVision

Die Wurzeln von ProxiVision GmbH gehen zurück auf das Wissen und den Produktionsstandort der Proxitronic Detector Systems GmbH, ehemals Proxitronic Funk GmbH & Co. KG. Das Unternehmen ging 1978 mit eigenem Management aus der Robert Bosch Fernseh GmbH in Darmstadt hervor. 1984 zog das Unternehmen nach Bensheim.

Die ProxiVision GmbH ist seit 2012 operativ tätig. Produziert werden hoch technisierte Produkte für das Militär sowie die Luft- und Raumfahrtindustrie. Innovationen in der Optoelektronik: Das war und ist das Ziel von Rolf-Jürgen Ahlers. Gemeinsam mit Yvo Hoffmann fungiert er als geschäftsführender Gesellschafter.

Im Bensheimer Gewerbegebiet Stubenwald investiert ProxiVision in diesem Jahr knapp sieben Millionen Euro in den Bau eines neuen Verwaltungs- und Produktionsgebäudes unweit vom bisherigen Standort. tr

Mit den Systemen von ProxiVision kann man diese Objekte daher früh erkennen. Die militärische Luftfahrt nutzt dies für Raketen-Warnsysteme. Im zivilen Sektor kommen die Detektoren etwa bei der Früherkennung von Defekten an Hochspannungsleitungen zum Einsatz, die winzige elektrische Funken früher aufspüren als andere Verfahren.

Aufbauend auf dieser Standard-Technologie wurden in den letzten Jahren spezielle Bildverstärker für Neutronen entwickelt. Das sind Teilchen, die bei der Kernspaltung in Forschungsreaktoren oder mit der neueren Methode der Spallation (Absplitterung) erzeugt werden können. Mit ihnen kann man Objekte durchleuchten - ähnlich wie mit Röntgenstrahlen. Das Besondere dabei ist, dass Neutronen einen völlig anderen Kontrast erzeugen als die elektromagnetischen Wellen.

Der ProxiVision-Entwickler Oliver Merle spricht von neuen Anwendungsmöglichkeiten. Er erklärt: "Ein einfaches Beispiel ist eine Rose in einer dicken Bleiflasche." Mit Röntgenstrahlen ist die Blume unsichtbar. "Bei einem Neutronendetektor ist es genau umgekehrt", so der promovierte Physiker. Sie gehen durch das Blei wie ein heißes Messer durch Butter. Die Konturen der Rose sind deutlich erkennbar. Für die Wissenschaft heißt dies: Man kann Objekte durchdringen, die sich anderen Verfahren bislang verschlossen haben. Das ermöglicht eine schnellere und verlässliche Kontrolle von Elementen in Systemen, in denen eine sehr hohe Sicherheit notwendig ist. Beispielsweise zum Erkennen von Lecks in kerntechnischen Anlagen oder in der Luftfahrt. In Tests hat ProxiVision etwa einen pneumatischen Zylinder mit einem Stahlmantel "durchleuchtet" und so kleinste Teile wie Dichtungsringe und Kunststoffpartikel sichtbar gemacht.

Eine zerstörungsfreie Prüfmethode mit enorm kurzen Messzeiten, die das Bensheimer Haus mit dem US-Unternehmen Nova Scientific verfeinert hat. Die projektbezogene Zusammenarbeit wurde 2014 mit dem Ziel gestartet, gemeinsam die wachsenden Märkte der Neutronendetektion und -Bildgebung zu bedienen. Die Amerikaner wollen von dem Bensheimer Wissen über Detektorenbau profitieren.

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