MVV macht Ökostrom fit für den Markt

Von 
Frank Schumann
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Ökostrom aus großen Anlagen muss direkt vermarktet werden - zum Beispiel an der Börse.

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Strom aus erneuerbaren Energien gilt vielen in Deutschland als Erfolgsmodell - und fast ebenso vielen als Feindbild. Besonders wenn es um die Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) geht, wird mitunter kräftig ausgeteilt. Ein besonderer Dorn im Auge ist den Kritikern die gesetzlich garantierte Einspeisevergütung für grünen Strom. Mehr Wettbewerb statt dauerhafter Förderung mit einer 20-Jahre-Festpreisgarantie, fordern Verfechter eines freieren Strommarkts unter anderem.

Strom aus erneuerbaren Energien

Die Solaranlagen in Deutschland haben im Juli dieses Jahres erstmals so viel Strom erzeugt wie die hiesigen Atomkraftwerke. Die zwei Energiequellen erreichten jeweils eine Produktionsmenge von 5,18 Terawattstunden, wie aus Zahlen des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) hervorgeht.

Das habe zum einen am sonnigen Wetter gelegen, sagte der Fraunhofer-Experte Bruno Burger. Weitere Gründe seien die Abschaltung des Kraftwerks Grafenrheinfeld und die Jahresrevisionen der Kraftwerke Gundremmingen-C, Isar II und Philippsburg 2.

Solaranlagen und Windräder erzeugten im Juli gemeinsam so viel Strom wie nie zuvor, wie aus den ISE-Zahlen hervorgeht. Sie kamen demnach zusammen auf 11,7 Terawattstunden. Der bisherige Spitzenwert hatte im vergangenen März 11,1 Terawattstunden betragen.

In Deutschland gibt es rund 1,5 Millionen Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von 39 000 Megawatt. Dem gegenüber stehen acht Atomkraftwerke mit einer Leistung von 10 700 Megawatt.

Erneuerbare Energien haben 2014 mit 26,2 Prozent in der Stromerzeugung den Spitzenplatz erobert. Zusammen kamen Braunkohle (25,4 Prozent) und Steinkohle (17,8) aber mit 43,2 Prozent auf den mit Abstand höchsten Anteil. fas

Mit der Reform des EEG im vergangenen Jahr wurden sie zumindest teilweise erhört: Seit 1. August 2014 gilt für neue Ökostrom-Anlagen ab einer Leistung von 500 kW die verpflichtende Direktvermarktung - ein Marktsegment, in dem sich auch die Mannheimer MVV Energie erfolgreich betätigt. "MVV Energie zählt zu den fünf größten deutschen Direktvermarktern von Strom aus erneuerbaren Energien, beim Photovoltaik-Strom sind wir Marktführer", sagt Dirk Garbe, der bei dem Unternehmen das Team Weiterverteiler und Eigenerzeuger leitet.

Das Unternehmen vermarktet derzeit eine Leistung von 3500 Megawatt aus Anlagen in ganz Deutschland, was in etwa drei konventionellen Kraftwerken entspricht. Dabei bedeutet Direktvermarktung aber nicht nur, Strom möglichst gewinnbringend zu verkaufen. "Das Modell trägt insbesondere dazu bei, die meist stark schwankende Erzeugung aus erneuerbaren Energien möglichst gut in den Strommarkt zu integrieren", sagt Garbe.

Zunächst liegt der Charme der Direktvermarktung darin, dass sich mit ihr höhere Einnahmen aus Ökostrom erzielen lassen. Der Erzeuger erhält neben dem Verkaufserlös für den Strom - in der Regel dem Börsenpreis - zusätzlich eine Marktprämie, die über die EEG-Umlage finanziert wird. Die Höhe der Marktprämie hängt vom monatlichen Durchschnittspreis der Strombörse ab. Beides zusammen summiert sich exakt zur EEG-Vergütung. Betreibern älterer Anlagen wird die Teilnahme über einen Aufschlag schmackhaft gemacht.

Kann ein Erzeuger seinen Strom über diesem Durchschnittspreis verkaufen - etwa, wenn die Nachfrage besonders hoch ist -, liegt sein Erlös über der EEG-Vergütung. Die MVV Energie als Dienstleister für die Direktvermarktung erhält vom Anlagenbesitzer einen Anteil aus diesem Vermarktungserlös.

Eine zentrale Herausforderung für das Unternehmen besteht darin, den Strom aus erneuerbaren Energien entsprechend der Nachfrage ins Netz einzuspeisen. "Die Erzeugung in Solar- oder Windkraftanlagen lässt sich nur sehr kurzfristig genau vorhersagen", sagt Garbe. Im sogenannten virtuellen Kraftwerk der MVV Energie - einer IT-Plattform - laufen alle Informationen von konventionellen Kraftwerken und Anlagen mit erneuerbarer Erzeugung einerseits und von den Energiemärkten andererseits ein. Erzeugung und Verbrauch in Einklang zu bringen, ist Aufgabe der MVV-Vertriebs- und Handelsexperten.

Der Stromhandel ist durch den starken Ausbau der erneuerbaren Energien ein schnelllebiges Geschäft geworden. Der Intraday-Handel - also Kauf und Verkauf für den gleichen Tag - hat dadurch enorm an Bedeutung gewonnen. "Auf dem Markt für kurzfristige Stromprodukte wird in Viertelstunden-Abschnitten gehandelt. Bei unvorhergesehenen Wettereinflüssen zum Beispiel können die Kollegen aber noch kurzfristiger reagieren", sagt Garbe.

Abgesehen von der pünktlichen Lieferung gibt es für Strom im Prinzip nur ein Qualitätsmerkmal: "Er muss immer mit einer Frequenz von 50 Hertz schwingen", sagt Garbe. Tut er das nicht, weil Einspeisung und Verbrauch nicht im Gleichgewicht sind, drohen Stromausfälle. Um eine stabile Frequenz zu gewährleisten, rufen die Netzbetreiber teilweise innerhalb von Minuten Strom von den Erzeugern ab - oder sie lassen Anlagen abschalten, weil zu viel Strom die Netze überlasten könnte.

In den fein austarierten Stromfluss sind auch Sonnen- und Windkraftanlagen eingeplant, doch ein Gewitter, eine Nebelbank oder unerwarteter Schnee auf Solarmodulen können den gesamten Fahrplan durcheinanderbringen. Dann fordern die Netzbetreiber sogenannte Regelenergie an, um das Stromnetz zu stabilisieren - da sie sehr kurzfristig gefragt ist, ist sie in der Regel am teuersten. Im Rahmen der Direktvermarktung arbeitet die MVV Energie mit ihren Kunden auch daran, den Einsatz von Regelenergie so weit wie möglich zu minimieren.

Damit erneuerbare Erzeugungsanlagen überhaupt an der Direktvermarktung teilnehmen können, müssen sie fernsteuerbar sein. Das bedeutet, dass der Netzbetreiber die Stromeinspeisung einer Anlage reduzieren oder sie sogar ganz abschalten kann. Auch dabei unterstützt die MVV Energie ihre Kunden als Dienstleister. Das Unternehmen geht davon aus, dass die Nachfrage weiter steigt: Ab 1. Januar 2016 gilt die Pflicht zur Direktvermarktung schon für Neuanlagen ab einer Leistung von 100 kW - "darunter fallen dann schon sehr große Photovoltaik-Dachanlagen", sagt Garbe.

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