Ohne Treibstoff um die Erde

Von 
Alexander Jungert
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Der Sitz ist gleichzeitig Schlafkoje und Toilette. Ein Fallschirm und ein Rettungsboot sind in die Lehne eingebaut. Die Kabine ist nicht beheizt und hat keinen Druckausgleich. Temperaturen zwischen minus 20 und plus 40 Grad müssen die Piloten aushalten. Willkommen an Bord der Solar Impulse 2!

Das Solarflugzeug in Zahlen

Name: Solar Impulse 2 (HB-SIB)

Solarzellen: 17 248

Gewicht: 2,3 Tonnen (davon Batteriesysteme 633 Kilogramm)

Höchstgeschwindigkeit: 90 km/h

Flügelspannweite: 72 Meter

Fallschirme: 1

Rettungsboote: 1

Lebensmittel und Wasser: für 1 Woche

Größe des Cockpits: 3,8 m3

Crew: 2 (Piloten wechseln sich im Einsatz ab)

An Design und Bau beteiligte Techniker: 50

Technologiepartner: 80

Berater und Zulieferer: 100

Vorbereitung und Bau: 12 Jahre

Flugstunden insgesamt zur Weltumrundung: 500

Flugroute: 35 000 Kilometer. jung

Um die Welt soll es gehen. Ohne Treibstoff, nur mit der Kraft der Sonne. "Die Solar Impulse ist das erste Flugzeug der Welt, das eine unbeschränkte Reichweite aufweist", sagt André Borschberg, der abwechselnd mit Bertrand Piccard die Maschine steuern wird. Nur ein Pilot hat Platz. Am Tag laden die Solarzellen die Lithiumbatterien auf, was es dem Flugzeug ermöglicht, auch bei Nacht zu fliegen.

Hinter dem Projekt steht neben anderen der Schweizer Elektrotechnik-Konzern ABB, der seine Deutschland-Zentrale in Mannheim hat. Ziel des ersten Solarfluges um die Erde ist es, erneuerbare Energien voranzutreiben. Der Start wurde bereits mehrfach verschoben, weil das Wetter nicht gepasst hat. Zuletzt hieß es, die Solar Impulse 2 soll diesen Samstag (7. März) abheben.

Mit einfachen Modellen nahm die Solarluftfahrt in den siebziger Jahren ihren Anfang, als die ersten erschwinglichen Solarzellen auf dem Markt erhältlich waren. Zu den ersten bemannten Flügen kam es erst 1980. Etwa 30 Jahre später schaffte ein Vorgängermodell der neusten Solar Impulse den ersten Nachtflug. Damals schon im Cockpit: André Borschberg und Bertrand Piccard. Jetzt wollen sie um die Welt.

Start und Ziel ist Abu Dhabi. Die Weltumrundung beginnt, wenn die Solar Impulse 2 Kurs auf Maskat in Oman nimmt. Anschließend geht es weiter nach Ahmedabad und Varanasi in Indien, Mandalay in Myanmar sowie Chongqing und Nanjing in China. Das Flugzeug legt in verschiedenen Städten einen Zwischenstopp ein. Zu den großen Herausforderungen zählt ein Nonstop-Flug über fünf Tage und Nächte von China nach Hawaii. Um Energie zu sparen, steigt das Flugzeug am Tag auf über 8500 Meter und sinkt bei Nacht auf 1500 Meter ab.

Nach der Überquerung des Pazifiks mit einem Zwischenstopp auf Hawaii geht es nach Phoenix und einer weiteren Stadt in den USA, die abhängig von der Witterung ausgewählt wird, bevor das Flugzeug in New York landet. Auf dem letzten Teil der Reise überquert die Maschine den Atlantik und landet entweder in Südeuropa oder Nordafrika, bevor sie Ende Juli oder Anfang August wieder an ihren Ausgangspunkt zurückkehrt.

Der ganze Stolz der von Borschberg geleiteten Ingenieure: Die Struktur ist proportional zehn Mal leichter als die besten Segelflugzeuge. Jedes neu hinzugefügte Gramm musste anderswo wieder entfernt werden, um genügend Platz für die Akkus und das Cockpit zu bieten, in dem die Piloten eine Woche überleben können. Die Techniker haben die Elektrik wasserdicht gemacht, so dass auch bei Regen geflogen werden kann.

Dem Team gehören drei Ingenieure von ABB an. Sie kümmern sich unter anderem um die Steuerungssysteme für den Bodenbetrieb und die Ladeelektronik für die Batteriesysteme. Die Akkus sind isoliert und in den vier Triebwerksverkleidungen eingerichtet. Anfang Januar wurde die Maschine auf dem Militärflugplatz Payerne in 25 Teile zerlegt, in den Frachtraum einer Boeing 747-400 verladen und nach Abu Dhabi gebracht. Das Auseinanderbauen dauerte vier, das Zusammenbauen zwei Wochen.

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