Saurer Rebell in süßer Familie

Von 
Anne Jeschke
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Eine schöne Vorstellung, so ein Apfelsaft-Imperium. Magdalena Schneider, 27, lacht. Leider gibt es da ein Problem für die junge Geschäftsfrau aus Edingen, die in Stuttgart lebt: Ihr Saft mit dem einprägsamen Namen "Stiefkind" besteht aus besonderen, sehr seltenen Äpfeln mit rotem Fruchtfleisch, einer Kreuzung aus Zier- und Essapfel. Die Menge, die ihr Vater Georg in Edingen davon anbaut, reicht einfach nicht für ein Imperium.

Maggy und "Die Buben"

Georg Schneider importierte nach seinem Fortbildungsjahr 17 verschiedene Wildlinge aus dem französischen Villers-Cotterêts nach Edingen, wo er die Baumschule und den Obstbau Georg Schneider führt.

Über mehrere Jahre beobachtete er daraufhin 17 unterschiedliche Kreuzungen seiner neuen Apfelart, die er nach Mitgliedern der Schneider-Familie benannte.

Die beste aller Kreuzungen, deren Früchte rotes Fruchtfleisch haben und säuerlich schmecken: "Maggy" - diese nutzen Georg Schneider und Tochter Magdalena nun für den Stiefkind-Saft.

Es handelt sich dabei um eine Kreuzung aus rotfleischigem Zierapfel und gelbfleischigem Essapfel - das Ergebnis ist "zum Verzehr geeignet".

Den Stiefkind-Onlineshop und weitere Informationen zum Produkt und der Stiefkind-Geschichte finden Interessenten im Internet unter der Adresse www.stiefkind-shop.de.

Vor dem Master-Studium der Unternehmenskommunikation an der Stuttgarter Hochschule der Medien hat Magdalena Schneider in Passau studiert: Medien und Kommunikation.

Hauptberuflich betreibt sie eine Agentur für Bewegtbildkommunikation in Stuttgart: "Die Buben".

Sie produziert im Auftrag von Unternehmen Videos, berät die Auftraggeber, konzipiert mit ihnen die kurzen Filme und setzt die Ideen um. Zudem hilft "Die Buben" dabei, die Videos danach im Internet entsprechend zu verbreiten.

Informationen gibt es unter www.die-buben.com oder per E-Mail an maggy@die-buben.com. akj

Früher verkaufte der Obstbauer den Saft der Äpfel frisch gepresst auf dem Hof. Bis seine Tochter sich vor zwei Jahren dazu entschied, "ein bisschen das alte, verstaubte Apfelsaft-Image aufzubessern und den gesunden Saft lifestylefähig zu machen". Sie nahm das etwas säuerliche Getränk mit an die Hochschule der Medien in Stuttgart, an der sie Unternehmenskommunikation studierte. "Können wir da nicht ein Projekt draus machen?", fragte sie den Professor. Der probierte, war begeistert - und seine Studentin durfte sich neun Leute ins Team holen, darunter angehende Packaging-Designer, Grafikdesigner und Kommilitonen aus der Unternehmenskommunikation.

Innerhalb eines Jahres entwickelten sie eine Strategie, entwarfen das Logo, suchten den Namen für ihr Produkt. Den zu finden, war gar nicht so einfach, erzählt Magdalena Schneider. Als die Studenten wieder einmal darüber nachdachten, griff sie zum Smartphone und rief ihren Vater an. Von ihm ließ sie sich noch einmal ganz genau erklären, wie er zu dem besonderen Apfelsaft gekommen ist: Ein Jahr seiner Ausbildung zum Obstbauern verbrachte er in Frankreich. Dort hatte er die besondere Sorte bei seinem Lehrmeister gesehen. Der wollte sie allerdings wegwerfen, weil die Äpfel - ökonomisch betrachtet - zu klein waren, zu wenig Saft lieferten und zu sauer schmeckten. "Da hat mein Vater gefragt, ob er sie nicht haben kann." Schneider brachte mehrere Bäumchen mit nach Deutschland - hinein in seine bestehende gelbe Apfelfamilie. So kam das "Stiefkind" nach Edingen und die Projektgruppe zum Produktnamen.

Ein halbes Jahr, erzählt die "Stiefmutter" habe es gedauert, bis der Name feststand. Und da gab es durchaus noch Skeptiker, darunter der Professor. Auch ihren Vater musste Magdalena erst überzeugen. "Stiefkind", sagt sie, sei vielen zu negativ besetzt. "Aber wenn man die Geschichte dazu kennt, dann passt der Name natürlich", räumt Georg Schneider viele Monate später ein.

Dann beschloss Magdalena Schneider, die Sache wirklich umzusetzen. Für ihre Masterarbeit entwarf sie das Etikettendesign, suchte einen Abfüller, entwickelte das Corporate Design. Sie entwarf Plakate mit Wortspielen um die Farbe Rot ("rotzfrech") und das Motto "... denn süß kann jeder!". So charakterisieren die Schneiders ihren Stiefkind-Saft: als liebenswerten sauren Rebell in der großen süßen Apfelfamilie.

Nach dem Studium machte Magdalena Schneider sich zwar mit einer Agentur für Bewegtbildkommunikation in Stuttgart selbstständig - das Familienprojekt "Stiefkind" lief jedoch weiter.

Im August/September bringen Schneiders ihre Äpfel nun zum Abfüller nach Bruchköbel. Dort werden die Früchte gewaschen, gepresst, in die kleinen Glasflaschen gefüllt, durch Erhitzen haltbar gemacht. "Diese Äpfel sind nicht lagerbar, sie müssen direkt verarbeitet werden", erklärt Magdalena Schneider. Wichtig war ihr, auch mit Stiefkind 100 Prozent natürlichen Apfelsaft anzubieten, ohne Zuckerzusatz, ohne künstliche Aromen oder Konservierungsstoffe.

Magdalena Schneider ging Klinken putzen, baute Promotion-Stände auf, besuchte Messen und Partys, um den Saft bekanntzumachen. Mittlerweile gibt es ihn in diversen Kneipen und bei Veranstaltungen in der Region. Auch in Stuttgart. Online und auf dem Hof der Eltern können Kunden den Saft kaufen.

2014 war er bereits zwei, drei Monate vor der neuen Ernte ausverkauft. Dabei hatte Georg Schneider schon mehr angebaut als zuvor: "2012 im September haben wir angefangen mit rund 15 000 Flaschen", erzählt seine Tochter. "Zuletzt waren es ungefähr 30 000 Flaschen." Sie kümmert sich um den Vertrieb, die Werbung, die Social-Media-Betreuung. Im Jahr 2013 hat sie zwei Preise der Zeitschrift Taspo abgeräumt: einmal für die beste Marketing-Aktivität, einmal für den besten Internetauftritt.

Georg Schneider freut sich sehr über das Engagement seiner Tochter: "Das ist natürlich super Werbung für uns, was sie da alles auf die Beine gestellt hat." Und gerade weil es so gut läuft, ärgert sich Magdalena Schneider darüber, dass die Menge begrenzt ist. "Sonst könnte ich das hier hauptberuflich machen." Ein Imperium wird es wohl tatsächlich nicht. Eine Erfolgsgeschichte ist es jetzt schon.

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