Umwelt Die Bauern nicht als Sündenbücke beschimpfen

Lesedauer

"Beschwichtigungen wie zu Glyphosat gab es auch zu DDT", BA-Leserforum vom Donnerstag, 31. März

Zu den Vorwürfen des Leserbriefschreibers ist zu sagen: Glyphosat ist chemisch das N-Methylphosphat der Aminosäure Glycin. Diese Aminosäure ist mit rein natürlichen Substituenten verbunden.

Der Wirkstoff Glyphosat verhindert in der Pflanze die Synthese der aromatischen Aminosäuren Tryptophan, Phenylalanin und Tyrosin. Die Pflanze stirbt ab.

Der Wirkstoff baut sich vorwiegend mikrobiell mit einer Halbwertszeit von ein bis zwei Monaten vollständig zu Phosphat, Ammoniak; CO2 und Wasser ab, deshalb findet es man bundesweit in keinem Brunnen. Ein Vergleich mit DDT ist daher abwegig.

Neue Bewertung

Im Rahmen einer Risiko-Neubewertung wurden vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) über 150 neu durchgeführte, toxikologische Originalstudien und über 900, in wissenschaftlichen Zeitschriften publizierte Studien, geprüft und ausgewertet.

Diese erneute Bewertung ergänzte die bei der Erstzulassung vorgelegten Studien und Dokumente. Als zusammenfassendes Ergebnis wird konstatiert, dass Glyphosat nicht giftiger ist, als bei der Risikobewertung im Rahmen der Erstzulassung festgestellt wurde. Insbesondere ergibt die Analyse der neuen Dokumente keine Hinweise auf eine krebserzeugende, reproduktionsschädigende oder fruchtschädigende Wirkung durch Glyphosat in den Versuchstieren.

Vermutete Verschwörung

Der Leserbriefschreiber vermutet eine Verschwörung von Spargel gegen Wein. Im Spargel wird Glyphosat nicht eingesetzt, es ist dort nicht zugelassen, und in allen Stichproben der Lebensmittelkontrolle ist meines Wissens nie Glyphosat gefunden worden. Soweit ich weiß, auch nicht im Wein.

Das BfR gab eine Studie in Auftrag, in der zwei unabhängige Analyseverfahren mit hoher Sensitivität entwickelt und 114 Muttermilchproben aus Niedersachsen und Bayern untersucht wurden. Die Studie fand keine Glyphosatrückstände.

Laut BfR ist aufgrund der physikalisch-chemischen Eigenschaften von Glyphosat kein relevanter Übergang des Wirkstoffes in Muttermilch zu erwarten und wissenschaftlich bisher nicht belegt.

Mehr als 1000 Liter Bier pro Tag

Sollte Glyphosat im Bier gefunden worden sein, dann wäre das zu vermeiden, wenn man Braugerste aus der Region verwendet hätte, denn hier wird kein Glyphosat auf das abreifende Getreide gespritzt. Um in die Nähe einer gesundheitlichen Gefährdung zu kommen, müsste man täglich mehr als 1000 Liter Bier trinken.

Glyphosat wird bei uns um den Faktor zehn weniger eingesetzt als in den USA. Es ist ein Reservemittel gegen schwer bekämpfbare Unkräuter und für den pfluglosen Anbau in Hanglagen zur Verhinderung von Erosion bei Starkniederschlägen.

Die vorhandene Vegetation wird vor Einsaat abgespritzt, wobei die Wurzeln und Stängel erhalten bleiben und den Boden halten. Zwei Wochen später wird eingesät. Resistente Unkräuter entwickeln sich gegen jedes Herbizid, deshalb wechseln wir ständig die Wirkstoffe, soweit wir noch welche haben.

Wer geht mit uns auf die Felder?

Wir Bauern sind nicht daran interessiert, unsere Mitmenschen und Verbraucher zu vergiften. Wenn wir gezwungen werden, ganz auf biologische Landwirtschaft umzustellen, wer geht dann mit uns hacken für den Mindestlohn? Der Leserbriefschreiber?

Unser Berufsstand soll auf alle modernen Wirkstoffe verzichten. Faule oder angefressene Kartoffeln, Äpfel oder Gemüse will niemand kaufen.

Was ist mit Arzneimitteln?

Außerdem sind wir total entkoppelt: Im Ried gibt es so gut wie keine Tierhaltung mehr und die Flächen sind extrem knapp. Wie soll da "Bio" gehen? Und was ist mit Arzneimitteln (Diclofenac, Antibiotika, Antophlogistika, Analgetika) oder Hormonen (Viagra, Pille) in den Vorflutern? Das will keiner wissen. Sollen wir auch auf Arzneimittel verzichten und nur noch homöopathisch praktizieren?

Es ist zwar schick, den Bauern als Sündenbock zu beschimpfen, gerecht ist es allerdings nicht. Manche Regionen könnten sich "von" schreiben, wenn sie solche Strukturen hätten wie in Starkenburg.

Willi Billau

Vorsitzender des Regional-

bauernverbandes Starkenburg

Lampertheim