Energiewende Sollen wir wirklich bei Kohle, Öl und Gas verharren?

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"Eine ist strikt gegen Windkraft", BA vom Donnerstag, 5. März

Die FDP-Landratskandidatin Dr. Birgit Reinemund setzt statt auf Windkraft auf moderne Gas- und Kohlekraftwerke für eine sichere Stromversorgung. Heißt das, dass Frau Reinemund sich und uns noch abhängiger machen will von Gaslieferungen aus einem Land, das immer unberechenbarer für uns wird, dessen Aggressionspotenzial sowohl in der Krimkrise wie auch jetzt im Krieg in der Ukraine uns deutlich vor Augen geführt wird und dem wir ein hervorragendes Mittel an die Hand gegeben haben, jegliche westliche Sanktion durchschlagend beantworten zu können?

Und Kohlekraftwerke müssen auch bei modernster Technologie mit Kohle bestückt werden. Kennt die FDP-Frau den Braunkohletagebau in Brandenburg, durch den Menschen ihre Heimat verlieren, weil ihre Dörfer umgesiedelt werden, wo sich Flüsse rostbraun färben, Landschaften zerstört und die Belange der Natur ganz hintenangestellt werden und wo man Tausende von Unterschriften sammelt, um zu verhindern, dass Menschen aus ihrer Heimat buchstäblich vertrieben werden? Aber Vattenfall ist stärker!

Oder denkt die FDP-Kandidatin an Steinkohle, die im Untertagebau zum Beispiel in Südafrika, Kolumbien, Chile und so weiter gefördert wird - unter unsäglichen Arbeitsbedingungen und Menschenrechtsverstößen aller Art, nur damit wir hier eine "saubere" und "sicherer" Energieversorgung genießen können?

Die Forderung von Frau Reinemund - "weg von kleinteilig vor Ort" hin zu "konzeptionell im europäischen Maßstab" - klingt mir sehr nach einem Plädoyer für Konzerne. Gerade diejenigen, die jahrzehntelang die Entwicklung verschlafen, ja sie bekämpft haben - im Dienst von Atom, Öl und Kohle - sollen also jetzt, wo die Erneuerbaren sich endlich freigekämpft haben, nachträglich mit ins Boot genommen werden, um in Europa die Führung zu ergreifen und damit die stetig wachsende Zahl von dezentralen und bürgerlich-demokratischen mittleren und Kleinproduzenten an die Wand zu drücken? Das wirklich schöne Wort "liberal" habe ich bisher eigentlich immer ganz anders verstanden.

Statt in veralteten und verkrusteten Strukturen hängenzubleiben, könnte uns ein Systemwechsel auch in friedenspolitischer Hinsicht einen Schritt weiterbringen: aus der Verquickung mit Diktaturen wie denen des Nahen Ostens oder auch Russlands hin zu den unendlichen Möglichkeiten des eigenen Lebens, nämlich den hier vorhandenen Quellen Wind und Sonne.

Joachim Glemann

Bensheim