Flüchtlinge Von einer Willkommenskulturwar nicht die Rede

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Als Flüchtling und Heimatvertriebener aus Schlesien erinnere ich mich sehr deutlich an Krieg und Vertreibungselend: Im sicheren Westen an die Unterbringung auf Stroh in überfüllten Klassenräumen, an den Hunger als ständigen Begleiter, an Unterernährung, die eine normale Einschulung nicht erlaubte, und an Bettelgänge über die Dörfer, wo wir froh waren, wenn ein Bauer uns noch drei Kartoffeln schenken konnte. Die Beschreibung von Elend und Armut der Flüchtlinge von damals könnte Seiten füllen.

Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen lese ich nun über die "Nöte" der Flüchtlinge, die nach Deutschland gekommen sind: Flüchtlinge in Wetzlar drohen mit Hungerstreik, weil sie mit ihrer Unterbringung nicht zufrieden sind, Massenschlägerei in einer Asylbewerberunterkunft. Ein Einbruch in ein Lebensmittellager durch Asylbewerber, denen das Mineralwasser ausgegangen war, konnte nur durch ein großes Polizeiaufgebot verhindert werden.

In Suhl beschwerten sich Asylbewerber über das zu wenig abwechslungsreiche Essen. Es schmecke nicht und gebe wenig. Das heiße Wasser der Duschen reiche nur für kurze Zeit. Deshalb war meine Freude groß, als ich in Hamburg - nicht weit von den Landungsbrücken - eine Gedenktafel von vietnamesischen Flüchtlingen entdeckte, die in Deutschland Aufnahme fanden und ab 1979 von der Cap Anamur im Chinesischen Meer gerettet wurden.

Hier ist zu lesen: "Danksagung: In tiefster Dankbarkeit gegenüber dem Deutschen Volk, der Bundesregierung, der Freien und Hansestadt Hamburg, dem Heimatort aller Cap Anamur Schiffe, für die freundliche Aufnahme der vietnamesischen Flüchtlinge auf der Flucht vor den Kommunisten über das Südchinesische Meer." Von einer "Willkommenskultur" war damals nicht die Rede.

Dieter Stephan

Bensheim

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