Zum Thema - Bürgermeisterwahlen "Eine alarmierende Entwicklung"

Lesedauer

Erneut muss ich mich über die Berichterstattung über eine desaströse Bürgermeisterwahl wundern. Und noch mehr über die Kommentare dazu. Sicher, unser Wahlsystem ergibt immer eine Mehrheit, aber was sagen denn fast 90 Prozent für einen Bewerber bei einer Wahlbeteiligung von 38 Prozent aus? Und wie kann man von einem überzeugenden Votum sprechen - wenn über 60 Prozent der Wähler gar nicht votiert haben?

Es gibt eine beunruhigende, alarmierende Entwicklung in der demokratischen Verfasstheit unserer Gesellschaft. Aber wie bei der Bürgermeisterwahl in Hirschberg verzichten die Zeitungen darauf, in die Tiefe zu sehen und versteigen sich in oberflächliche Formulierungen, in denen Worte wie triumphal, überzeugend oder so etwas wie "Vertrauensbeweis" oder gar "klarer Auftrag" vorkommen. Noch in den 1990ern war die wichtigste Frage bei einer Bürgermeisterwahl, ob der Gewinner mehr als 50 Prozent derer hinter sich gebracht hatte, die wählen gegangen sind, ob er oder sie ein Bürgermeister aller Bürger in seinem Ort geworden ist. Nichts mehr davon. Dem ist auch nicht mehr so. Den Bürgermeister von Ilvesheim haben grade mal 33 Prozent der Wahlberechtigten gewählt, den von Hirschberg 38 Prozent, den Heidelberger OB 17,3 Prozent und den von Heddesheim nur 36 Prozent aller Wahlberechtigten.

Wie sieht es - wenn man die echten Zahlen betrachtet - mit der Legitimation eines solchen Amtes aus? Wieso interessieren sich die Bürger nicht für die Belange ihres Ortes und wer dessen Richtung und tägliche Themen vorgibt? Das sind die Fragen, die sich eine "wehrhafte" Demokratie stellen muss. Hamburg und Bremen haben gezeigt, dass bei niedriger Wahlbeteiligung extreme Parteien in die Parlamente kommen - und die FDP. Dies, weil die Bürger zu Hause bleiben und die Demokratie nicht mit ihrer Stimmabgabe stärken und verteidigen. Hier wäre es die Aufgabe der Zeitungen als "Vierte Kraft", welche die Demokratie mit trägt, aufzuklären, zu motivieren und zu mahnen und nicht sinnfrei zu jubeln über Ergebnisse, die äußerst besorgniserregend sind.