Schaufenster - Beim Antiquitätenhandel Ochs entdeckt Aus der guten alten Schulzeit

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Seit nahezu einen viertel Jahrhundert gehe ich fast täglich die Mannheimer Straße entlang. Ich habe die Veränderungen dieser Straße mit Interesse miterlebt, wie einige gingen und andere kamen, wie diese Straße sich entwickelt hat. Neue Läden, neue Gesichter - vieles hat sich stets geändert. Nur eines änderte sich nie während dieser Zeit, das Schaufenster des Antiquitätenhändlers Ochs. Dort findet man unverändert die Vitrine mit hundert antiken Zeugen der Vergangenheit. Als ich am Wochenende die kleine Vitrine erblickte, blieb ich stehen und wurde ein Jahrhundert zurückversetzt. Ich sah eine Sammlung seltsamer Schreibutensilien wie Schiefertafeln mit Bleistiften, Spitzmaschine, Büchern und Bibeln mit Schmuckeinband und vieles andere. Zum Erstaunen auch einige Zeichendreiecke aus Kunststoff, welche anachronistisch störend wirkten.

Ich fragte den in der Tür stehenden jungen Mann, ob er weiß, wozu diese Sachen dienen? Ja antwortete dieser, mein Großvater hat mir gesagt, dass er sie kennt. Ich habe vermieden, zu sagen, dass ich auf so einer Schiefertafel schreiben gelernt habe. Ich bleibe jetzt oft hier stehen und denke an die nostalgische Zeit meiner Kinderjahre und bedauere, dass andere Passanten sich die Zeit nicht nehmen, einen Blick auf diese Dinge von unschätzbarem Wert zu werfen. Insbesondere ist es bedauerlich, dass vorbeieilende Schüler der Hilda-Schule, die wahrscheinlich alle ein Smartphone in der Tasche tragen, es nicht begreifen können, wozu diese Sachen dienten. Es ist nicht ihre Schuld, dass sie die Vergangenheit nicht kennen.

Ich denke mit Sorge an den Tag, an dem das Schaufenster geändert wird und diese Utensilien ersetzt werden, um mit den anderen 250 000 im Hause Ochs aufbewahrten Schätze für immer zu verschwinden.

Dann denke ich, es könnte doch auch anders sein. Wie wäre es, wenn man die Utensilien in der Ecke eines Zimmers der auch schon über hundert Jahre alten Hilda-Schule aufstellen würde und damit die Möglichkeit gibt, dass der Jugend gezeigt wird, wie die Vorfahren schreiben gelernt haben. Ein Tintenfass, ein Federstiel mit Stahlfedern aller Gattungen und unbedingt ein zur Schiefertafel gehörender Schwamm könnten noch ergänzt werden. Dieser Schwamm war notwendig, um die vollgeschriebene Tafel zu putzen und für neue Einträge bereitzustellen. Es besteht die Wahrscheinlichkeit, dass der Begriff: "Schwamm drüber" aus der Schiefertafelzeit stammt. Es scheint nützlich, zu überlegen, ob neben der Kugel-Rechenhilfe "Abakus" nicht auch ein Rechenschieber Platz findet und das Kunststoff-Zeichendreieck durch ein hölzernes ersetzt werden soll.

Es kann merkwürdig scheinen, dass man für so etwas viel Aufmerksamkeit schenkt. Aber es ist doch wichtig, dass die Gesellschaft, vor allem die Jugend, weiß, welcher Weg zum heutigen Stand der Dinge geführt hat. Die Vergangenheit zu kennen und sie zu schätzen ist nicht nur nützlich sondern eigentlich auch eine Verpflichtung für uns.

Stefan Miskovits, Schwetzingen