Verkehrspolitik - Minister Dobrindt will nur seinem CSU-Chef Seehofer gefallen und schafft ein bürokratisches Monster Bizarre Diskussion um die Maut

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Die sogenannte Ausländermaut ist ein Prestigeprojekt der CSU, für das sich Herrn Seehofers Erfüllungsgehilfe Verkehrsminister Dobrindt seit drei Jahren mit fast schon mitleiderregender Verbissenheit einsetzt. Jetzt droht er sich durch seinen Kampf für eine im Grunde unsinnige, sehr kostspielige bürokratisch aufgeblähte Sache, der Lächerlichkeit preiszugeben.

CSU-Chef Seehofer will partout die auf deutschen Autobahnen verkehrenden Ausländer zur Kasse bitten. Für zum Beispiel ein Jahr sollen sie eine "Elektronische Vignette" zum Preis von 130 Euro erwerben. Nun betrachtet die EU eine nur für Ausländer, nicht aber für die Inländer geltende Maut als Diskriminierung und lässt das nicht zu.

Eine Maut für die inländischen Autofahrer wurde in den Koalitionsvereinbarungen von 2013 aber ausdrücklich ausgeschlossen. Bei dieser Sachlage hätten Herrn Seehofers Wähler bestimmt Verständnis gehabt, wenn er auf das "Revanchefoul gegen die Auswärtigen" verzichtet hätte. Doch die Dobrindt-Leute hatten eine Idee, wie man das unmöglich erscheinende möglich machen könnte, das heißt Herrn Seehofers Herzenswunsch erfüllen, ohne die besagte EU-Bestimmung zu verletzen.

Diese rettende Idee macht sich einen auf den ersten Blick als schlechten bürokratischen Scherz erscheinenden methodischen Bestandteil der bereits konzipierten "Elektronischen Vignette für ausländische Autobahnbenutzer" zunutze: Um die "Schwarzfahrer" unter den Ausländern mittels Autobahnkameras und Zentralcomputer zu erwischen, bekommen alle deutschen Autohalter eine Jahresmaut zugestellt, deren Kosten per Lastschriftverfahren abgebucht werden.

Alle deutschen Bundesautobahn-Benutzer haben also im Zentralcomputer stets ein mit ihrem Kennzeichen gekoppeltes gefülltes Mautkonto. Geht in der Zentrale ein Kennzeichen ein, für das kein gefülltes Konto existiert, dann handelt es sich um einen ausländischen Mautpreller. Man beachte: Um diese aus den etwa 6 Prozent ausländischen Autobahn-Benutzern herauszupicken werden über 30 Millionen deutsche Autohalter mit einem für sie sinn- und kostenlosen Proforma-Mautverfahren behelligt. Kein Wunder, dass die Betriebskosten dieses einmaligen bürokratischen Monstrums unglaubliche 200 Millionen Euro jährlich betragen sollen!

Dieses Verfahren wäre EU-verträglich, verstieße aber gegen die entsprechende Koalitionsvereinbarung (keine Mehrkosten für die Autofahrer durch Maut).

Spätestens jetzt hätte Herr Seehofer die Sache aufgeben müssen. Die alternative Lösung, nämlich Änderung des Koalitionsvertrags zwecks Maut für alle auf Wunsch des bayerischen Ministerpräsidenten, ist rein theoretischer Natur.

Doch erneut hatte Dobrindt eine weiterführende Idee zum Wohlgefallen seines Landsmanns. Sie macht die ganze Sache zur Posse und droht den Bundesverkehrsminister der Lächerlichkeit preiszugeben. Dobrindt schlug vor, die den deutschen Autohaltern abzubuchende Maut über eine entsprechende Senkung der Kfz-Steuer wieder zurückzugeben, sodass sie "keine Mehrkosten" (so Frau Merkel 2013) hätten. Ein Mann in einer so hohen Position müsste sich doch denken können, dass die auf den "Fall Ausländermaut in der BRD" längst aufmerksame EU-Kommissarin eine mautbezogene Kfz-Steuersenkung als Mautfreiheit de facto wertet. Sie hat auf diesen beschämenden Täuschungsversuch mit Klageandrohung reagiert.

Es ist kaum zu fassen: Minister Dobrindt fuhr vor kurzem nach Brüssel zum EU-Chef Juncker, um diesem glaubhaft zu machen, dass irgendwelche mögliche Senkungen der Autosteuer mit der Mautzahlung der deutschen Autohalter per Elektronischer Vignette nichts zu tun hätten. Der vermutlich nicht völlig eingeweihte Herr Juncker ließ sich anscheinend täuschen, denn er sagte, es wäre ihm recht, wenn man Steuersenkungen für umweltfreundliche Autos im Auge habe!

Die einzige vernünftige Beendigung dieser bizarren Mautposse besteht darin, den egomanisch erscheinenden bayerischen Staatschef darüber aufzuklären, dass eine Maut im Stil einer Gebühr für das einmalige Benutzen oder Passieren von Brücken, Stadttoren, Pässen und Ähnlichem, wie es noch im Pluralismus des 19. Jahrhunderts verbreitet war, kein Instrument zur Finanzierung der Behebung nutzungsabhängiger Straßenschäden sein kann. Herrn Seehofers Maut soll 130 Euro für ein Jahr kosten, egal wie oft ein Ausländer welche Autobahnen befährt und abnutzt.

Es ist eine große Schwäche unseres politischen Systems mit seinen föderalistischen Elementen, dass es keine überparteilichen zentralen Expertengremien gibt, die Infrastrukturvorhaben oder Energieprojekte auf Sinnhaftigkeit und auf Rationalität prüfen - auch nicht auf Machbarkeit und Rentabilität.

Felix Conrad, Hockenheim

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