Gesetz zu mehr Beteiligung - Am Beispiel der Marktplatzbebauung in Ketsch die Wichtigkeit sehen Bürgerwillen erkennen

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Kritik aus Mannheim: "Das Volk weiß es nicht besser", hieß es in der Zeitung. In den letzten Tagen gab es eine Vielzahl von Kommentierungen zum neuen Gesetzentwurf der Grün-Roten Landesregierung. Gegenstand dieses Gesetzentwurfes, der auf einer fraktionsübergreifenden Arbeitsgruppe beruht, ist es unter anderem, das Schwert der direkten Demokratie, also die Einflussmöglichkeiten des Bürgers auf die Politik zu schärfen.

Konkret geht es unter anderem um die Herabsetzung des Quorums bei Bürgerentscheiden. Damit gemeint ist die Anzahl der Wahlberechtigten, denn ein Bürgerentscheid ist von den Grundsätzen her mit einer Wahl vergleichbar. Des Weiteren wurde die Frist verlängert, in der ein Bürgerentscheid organisiert werden kann. Gleiches gilt für den Bürgerantrag. Hat der Bürgerentscheid das Ziel, einen Gemeinderatsbeschluss aufheben zu lassen, gilt aktuell eine Frist von sechs Wochen nach Bekanntgabe. Laut Gesetzentwurf wird diese Frist dann auf drei Monate verlängert.

Auch in den Ausschlusstatbeständen gibt es Veränderungen, bisher sind von einem Bürgerentscheid zahlreiche Punkte ausgeschlossen. Solche Punkte sind zum Beispiel die Bauleitplanung, in der ein Bürgerentscheid nicht zulässig ist. Zukünftig wird ein Bürgerentscheid auch zu einem solchen Punkt zulässig sein. Natürlich ist es nicht verwunderlich, dass sich eine Vielzahl von Bürgermeistern und anderen Verantwortlichen aus der Kommunalpolitik zu Wort melden und den Gesetzentwurf kritisieren. Doch gerade bei einer Kritik wie "Das Volk weiß es nicht besser", muss man sich hinterfragen, ob man eine solche Kritik überhaupt ernst nehmen kann.

Sicherlich weiß es das Volk nicht besser, denn auch ein Volk kann sich irren. Dies trifft aber ebenfalls auf Bürgermeister und Gemeinderäte zu. So umfassend, zu einschneidend oder der Vorwurf, eine Minderheit könnte zukünftig Beschlüsse kippen oder herbeiführen, sind noch weitere Argumente, die ins Feld geführt werden. Doch welche Möglichkeit soll die Bevölkerung in Form eines Widerspruches haben, wenn nicht die der direkten Demokratie?

Schauen wir uns mal die Praxis an, wir müssen ja nicht weit dazu schauen. Die Umgestaltung des Marktplatzes in Ketsch sorgt seit Monaten für Diskussionen und bisweilen auch für eine bissige Auseinandersetzung. In einer relativ kurzen Zeit wurden von einer Interessengemeinschaft, die sich gegen eine Bebauung ausspricht, 1400 Unterschriften gesammelt. Diese Unterschriften wurden im Dezember 2014 an den Bürgermeister übergeben. Vom Prinzip muss man heute festhalten, keine der 1400 Unterschriften fand Gehör bei der Gemeindeverwaltung. Statt in die Diskussion zu gehen und die Bedenken zu erörtern, will man weiter informieren. Auch Vorschläge, nämlich die Durchführung einer Bürgerumfrage, um den Willen der Ketscher Bürger zu ermitteln, fanden kein Gehör. Warum eigentlich nicht?

Rechtlich nicht zulässig? Wohl kaum. Schließlich wurde damals von der Gemeindeverwaltung selbst eine Umfrage durchgeführt, um die Wünsche und Vorstellungen im Zusammenhang mit der Umgestaltung abzufragen. Wo wäre da das Problem, eine solche Umfrage jetzt auch durchzuführen? Die damalige Umfrage fand via Amtsblatt und Online statt. Also mit relativ einfachen Mitteln und kostengünstig könnte man den Bürgerwillen über eine Bebauung abfragen. Wie diese Bebauung im Detail aussieht, spielt hierbei keine Rolle, da es sich hier um eine Grundsatzfrage handelt: Möchte man einen bebauten oder einen unbebauten Marktplatz?

Letztlich könnten alle Seiten durch eine Abfrage nur gewinnen: Die Verwaltung, wenn sich herausstellen sollte, dass die Bürger sich eine Bebauung wünschen oder wenn es keine ausreichende Anzahl Rückmeldungen gibt. Die Interessengemeinschaft, wenn sich herausstellt, dass eine Mehrheit gegen eine Bebauung ist. Gerade Letzteres wird wohl ausschlaggebend dafür sein, dass man lieber keine Umfrage macht. Kann dies im Sinne der Gemeinde sein? Sicherlich ist es für einen Bürgermeister und einen Gemeinderat heute schwer, Entscheidungen zu treffen, insbesondere, wenn es sich um langfristige Projekte mit großen Veränderungen handelt. Diese Erfahrung hat die Verwaltung bei der damaligen Umfrage und der nur bescheidenen Teilnahme machen können. Der Wille einer Bürger ist für die Verantwortlichen nicht immer erkennbar.

Doch erste Widerstände in der Planungswerkstatt und spätestens 1400 Unterschriften wären doch Anlass genug gewesen, den Standpunkt zu überprüfen. Wenngleich dies für Bürgermeister und Gemeinderat im Angesicht der bereits geleisteten Arbeit ärgerlich ist.

Doch zurück zum Gesetzentwurf: Landauf, landab wird eine mangelnde Beteiligung der Bürger bei Wahlen und fehlendes politisches Interesse beklagt. Hier in Ketsch haben jetzt 1400 Menschen einen Einspruch formuliert, ohne Gehör zu finden. Diese Diskrepanz zeigt, dass eine Gesetzesänderung zu Gunsten von mehr Einflussmöglichkeiten der Bevölkerung notwendig ist, um einen Gegenpol zu schaffen.

Im Übrigen, der Gesetzentwurf der Landesregierung geht wesentlich weiter. So gehören nichtöffentliche Ausschüsse künftig weitgehend der Vergangenheit an. Gleiches gilt für Vorberatungen. Zudem müssen die Sitzungsunterlagen der öffentlichen Sitzungen für die Bevölkerung zugänglich sein. Beschlüsse aus nichtöffentlicher Sitzung müssen im Wortlaut wiedergegeben werden.

Simon Schmeisser, Ketsch

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