Weltpolitik und Terrorangst - Den USA geht es vor allem um Machterweiterung und Schürfrechte Das Projekt Weltethos . . .

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In einem Bergdorf wird eine junge Witwe wegen ihres Lebenswandels gesteinigt und getötet. Wer denkt hier nicht intuitiv an die Begriffe Ehrenmord, Islam und Türkei? Aber diese archaisch anmutende Szene entstammt dem Buch "Alexis Zorbas", spielt auf der griechischen Insel Kreta und wurde 1964 verfilmt, also kurz nachdem die ersten Arbeitskräfte aus der Türkei zu uns kamen.

Kulturelle Dekompressionskammern, in denen Neuankömmlinge den Druckausgleich zwischen ferner Heimat und naher Fremde üben können, gab es damals nicht. Diese stecken auch jetzt noch in den Kinderschuhen, weil man den Begriff Globalisierung zu sehr auf den Zynismus von Wertabschöpfungsprozessen reduziert hat. Aber mit Wertschätzung gegenüber Menschen hat unsere "Elite" seit geraumer Zeit eh ein generelles Problem.

In seinem "Projekt Weltethos" formulierte Hans Küng 1994, wie ein Dialog der Religionen und Kulturen, kulturübergreifende Werteerziehung, ethische und interkulturelle Kompetenz in Wirtschaftsunternehmen und Politik aussehen sollte.

Kürzlich stand in einem Leserbrief - untermauert mit Zitaten aus dem Neuen Testament beziehungsweise Koran - folgende "Religionsanalyse": "Wenn ein Christ einen Ungläubigen tötet, so handelt er gegen die Prinzipien seines Glaubens. Wenn ein Muslim jedoch einen Ungläubigen tötet, so handelt er im Einklang mit dem grundlegenden Text seiner Religion."

Dieser vergleichende Befund wäre gültig, solange man das Schrifttum der Christen auf das Neue Testament und die Aussagen Jesu - vor allem die Bergpredigt reduziert.

Nimmt man jedoch die Bibel als Ganzes, was man schon tun sollte und was übrigens auch christliche Fanatiker gerne tun - also vor allem das Alte Testament, dann steht der Befund auf wackeligen Beinen. Vor allem reicht er mir als Erklärung nicht aus, weshalb Terror (angeblich) im Namen Allahs seit knapp 20 Jahren die Welt in Atem hält.

Wer hat also den "bösen Geist des Terrors" aus der Flasche gelassen? Nun entkorkt hat die schon der Westen - allen voran die USA. Bei ihren Kriegen im Namen der Menschenrechte geht es denen doch in Wahrheit um Machterweiterung und Schürfrechte. Und gerade der Westen befördert die Saudis mit ihrem menschenverachtenden Wahhabismus noch.

Der böse Geist, das ist der Zorn und Hass, der entsteht, wenn die Gier den Ärmsten die Luft zum Atmen nimmt und sie obendrein mit Bomben und Granaten beglückt. "Wir kommen in Frieden." Oder wie der amerikanische Philosoph Ivan Illich formulierte: "Der Zwang, Gutes zu tun, ist ein angeborener amerikanischer Wesenszug. Nur scheinen die Nordamerikaner zu glauben, dass sie immer jemand bestimmen dürfen, mit dem sie ihre Wohltat teilen müssen. Letztendlich führt diese Einstellung zur Bombardierung von Leuten, damit sie die Geschenke annehmen."

Wann endlich begehrt eine Mehrheit dagegen auf und schreit laut hinaus: "Es ist genug!"

Herbert Semsch, Brühl

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