Atomkraft - Abschaltung von Grafenrheinfeld würde 450 neue Windräder erfordern / Oder das übliche Gemisch mit seinen Schwächen Ersatz fürs KKW - kein Problem?

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Der Betreiber des Kernkraftwerkes Grafenrheinfeld möchte das Werk schon im Mai 2015, das heißt sieben Monate früher als laut Energiewende geplant, abschalten. Dadurch erspart er sich 80 Millionen Euro Energiesteuer, die beim turnusmäßigen Brennelementewechel in etwa einem Jahr fällig geworden wären. "Kein Problem", so hört man aus Wende-Kreisen, unter Hinweis auf die gut vorankommenden "Erneuerbaren Energien", vor allem Windenergie. Das KKW Grafenrheinfeld bei Schweinfurt aus dem Jahr 1982 hat eine Leistung von 1345 MW (1 345 000 KW). Wegen der horrenden Kosten der Offshore-Windräder und der geplanten Nord-Süd-Stromtrassen werden zurzeit Inland-Windräder favorisiert.

Eine aktuelle Ausführung hat 3 MW mit einem Rotordurchmesser von 130 Metern. Zum rein rechnerischen Ersatz der nuklearen 1350 MW bräuchte man also 450 solcher großen, modernen Windmühlen. Zum Vergleich: In Baden-Württemberg gab es Ende 2013 genau 380 Rotoren mit durchschnittlich 1,4 MW.

Im vorliegenden Fall liegt es nahe, die 450 Rotoren in Form eines Windparks zu bündeln und zwar möglichst nahe dem zu ersetzenden KKW. Man erreicht dadurch eine homogene Windstromerzeugung und profitiert von der vorhandenen Netzanbindung des KKW. Als Abstand der Rotoren voneinander wird das 10 bis 15-fache des Rotordurchmessers empfohlen, um Abschaltung und Turbulenzen zu vermeiden. Legt man sich auf den 10-fachen Abstand fest, so erhält man einen Mastabstand von 1,3 Kilometern. Daraus errechnet man für jeden einzelnen Rotor einen kreisförmigen Platzbedarf von 1,3 Quadratkilometern. Für den gesamten KKW-Ersatz-Großwindpark bräuchte man also eine Fläche von 600 Quadratkilometern.

Das entspricht einer Viereckfläche zwischen Schwetzingen, Sinsheim, Bruchsal und Germersheim. Dieser enorme Flächenbedarf dürfte aber eingefleischte Wendefreunde nicht schrecken, zumal sich nordöstlich von Grafenrheinfeld der große Naturpark Haßberge mit günstigen Windverhältnissen befindet. Wie sagen Alternativ-Energetiker in solchen Problemsituationen: "Man muss es nur wollen."

Soweit die vereinfachte Betrachtung der Leistungsseite der KKW-Abschaltung, mit dem zugehörigen Flächenbedarf. Die nächste Frage ist nun die, ob dieser virtuelle Windpark Haßberge mit seinen 450 Rotoren à 3 MW und 1350 MW Gesamtleistung die ab Mai 2015 entfallende Jahresstromerzeugung von 10 bis 11 Milliarden kwh in 8000 Stunden des aus der Grundlast ausscheidenden KKW Grafrheinfelden zustande bringt. Diese entscheidende Frage ist mit einem lapidaren ausgeschlossen oder unmöglich zu beantworten.

Bei günstigen Binnenland-Windverhältnissen sind Windräder bestenfalls 2500 Stunden von den erforderlichen 8000 Stunden/Jahr voll ausgelastet in der Grundlast. In dieser Zeit produziert also unser virtueller KKW-Ersatz-Windpark maximal nur 2,7 Milliarden kwh. In den restlichen 6000 Jahresstunden kann er erfahrungsgemäß wegen zwischen Flaute und Stürmen schwankenden Windverhältnissen nur 1 bis 1,5 Milliarden kwh produzieren.

Man möge sich daran erinnern, dass wir in unserer Gegend wochenlang Windstille erleben, so wie zurzeit. Der fehlende Grundlaststrom von circa 6 bis 7 Milliarden kwh, muss von zwei großen Wärmekraftwerken à 700 MW auf Basis Kohle und Lodergas beigesteuert werden. Dies geschieht in völliger permanenter Abhängigkeit von den Windverhältnissen im Großwindpark in relativ unwirtschaftlicher ständiger Lastfolgebereitschaft. Für den Ersatz des KKW Grafenrheinfeld müssten also bis Mai 2015 450 neue Windräder gebaut werden, zuzüglich zwei neuer oder irgendwo abgezweigter moderner großer Kraftwerksblöcke à 700 MW. Ein reichlich unrealistisches und extrem kostspieliges Unterfangen nach sattsam bekannter "Wende-Art".

Wie bei den bereits erfolgten acht Kernkraftwerk-Abschaltungen so wird auch das bewährte Hochleistungskraftwerk Grafenrheinfeld durch ein wechselndes teures Gemisch aus Braunkohle-, Steinkohle-, Gas-, Biomasse-, Wind- und Importatomstrom ersetzt werden, mit unangenehmen Folgen für das Portemonnaie der Bürger, für die Industrie, für die Umwelt (Luftschadstoffe) und das Klima (CO2). Das sind sehr trübe Aussichten, wenn man weiter bedenkt, dass bis 2022 weitere acht KKW ausrangiert werden sollen.

Dr. Felix Conrad, Hockenheim

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