Flüchtlinge in Oftersheim - Statt Ideen zu schaffen und zur Mithilfe zu animieren, wird die Bevölkerung durch Standpunkte blockiert Gegen ein Klima der Ablehnung

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Wir wollen sie nicht mitten im Ort." So wurden Sie, Herr Professor Dr. Wagenblast, in der SZ am 18. März wörtlich zitiert. Der Beifall der künftigen Wähler war Ihnen sicher. Es wird unter anderem über Stellplätze diskutiert, die eigentlich schon vorhanden oder gut erreichbar sind, und weiteren Bagatellen, um die seit Wochen "gepflegte" Ablehnung von Asylanten zu begründen.

Ich bin in Tränen ausgebrochen, bin wieder das gehasste Flüchtlingskind aus Königsberg mit all diesen Erlebnissen.

Nicht die Flüchtlinge sind erst einmal das Problem, sondern die Mitmenschen, die das Klima der Ablehnung schaffen. So kann man meines Erachtens die Bevölkerung nicht zur Mitarbeit und Mitverantwortung bewegen.

Der Hinweis in der SZ vom 21. März "Für dezentrale Unterbringung" wäre natürlich wünschenswert, außer Ablehnung habe ich von keinen Bemühungen gelesen, Alternativen zu finden.

Als in Schwetzingen in der Werkstraße Umsiedler aus Russland untergebracht waren, habe ich mir vor Ort die Situation angeschaut und wusste, hier muss ich helfen.

Zu der Zeit wanderten die Menschen hoffnungslos von Lager zu Lager. Wenigstens einer Familie mit zwei kleinen Kindern konnte ich diese Zukunft mit Hilfe von Mitarbeitern im Rathaus Oftersheim (ich nenne lieber keine Namen) ersparen. Nur mit einer Kleiderspende war das natürlich nicht getan, viel Zeitaufwand war nötig. Heute studieren beide Kinder.

Man muss handeln und die Zeit nicht mit zum Teil sinnlosen Diskussionen vergehen lassen.

Die Flüchtlinge - früher wie heute - wären sicher lieber in der Heimat geblieben, aber anscheinend muss jede Generation mal einen Krieg erleben, um ein wenig sensibel mit dem Thema umzugehen.

1946 hat man die Heimatvertriebenen in Oftersheim auch außerhalb des Ortes angesiedelt, sie haben die Hardtwaldsiedlung aufgebaut, Flüchtlinge brauchen nicht immer nur eine Last sein.

1946 konnte man in einem Absatz der Chronik lesen: 70 männliche und 210 weibliche Flüchtlinge sind im Ort. Die 68 Bauerhöfe haben 91 Pferde, sieben Schafe, 165 Kühe, 494 Schweine.

Ich hoffe, die Bilanz fällt für die Bauern bei Ankunft der Asylanten besser aus - so sie denn kommen.

Keine Sorge, wir Flüchtlinge von damals sterben langsam aus, die aus eigenen Erfahrungen den mahnenden Zeigefinger heben können.

Ingrid Richter,

Oftersheim

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