Reaktionen - Kritik an offenem und verstecktem Fremdenhass in Lesermeinungen und darüber hinaus Intolerante Auslegung

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Die Leserbriefe der letzten Wochen haben mich und meine Familie sehr bestürzt! Was hier an offenem und verstecktem Fremdenhass und Intoleranz unter dem Deckmantel des besorgten Patriotismus oder sogar christlichen Glaubens veröffentlicht wurde, ist nicht mehr hinnehmbar.

Die vereinfachte und einseitige Weltsicht der Schreiberinnen und Schreiber kann einen schon nachdenklich stimmen. Da wird von einer drohenden Islamisierung Deutschlands gewarnt, obwohl es in der Gesamtbevölkerung nur fünf Prozent Muslime gibt. Konsequenterweise müssten wir dann auch vor den 37,5 Prozent (30 Millionen) konfessionslosen Menschen in Deutschland warnen, nicht auszudenken, was von diesem gottlosen Pack zu befürchten ist! Man baut Drohgebäude auf mit dem Hinweis, dass Migrantenfamilien mehr Kinder als deutsche Familien bekommen und dadurch quasi das Land überrannt wird. Eine türkische Familie hatte in den 70er Jahren noch durchschnittlich 4,4 Kinder. Mittlerweile sind es 2,2, Kinder im Vergleich zu 1,8 Kindern im Durchschnitt bei deutschen Familien. Es wird vor der vermeintlichen hohen kriminellen Energie der Ausländer gewarnt, in dem Statistiken aufs Gröbste missinterpretiert werden. So fließen in die Kriminalstatistik auch Straftaten mit ein, welche Deutsche gar nicht begehen können (zum Beispiel Aufenthaltsgesetz, Asylverfahrensgesetz), aber aus diesen wird dann ein Argument gebaut, dass Ausländer prinzipiell alles Straftäter sind. Es geht sogar soweit, dass sich Frau Dora Weimer letzte Woche in ihrem Leserbrief des gleichen Sprachduktus' wie die kritisierten Islamisten bedient und von einer anderen Weltreligion als Unglaube redet. Auch bemerkt Frau Weimer nicht, in welcher Nähe sie sich zu Islamistischen Fundamentalisten begibt, wenn sie schreibt: "Unsere Landesgesetze - die einmal auf den biblischen Geboten aufgebaut waren - werden mehr und mehr geschmälert und dem Wandel der Gesellschaft angepasst. Wen wundert es noch, wenn man als Land kein ,Rückgrat' mehr hat?" Wäre es dieser Schreiberin genehm, wir würden nach kirchlichen Recht Recht sprechen? Nun, das fordern die islamischen Fundamentalisten auch - dort nennt sich das Scharia. Wie man hier sieht: intolerante Religionsauslegungen, ob christlich oder muslimisch, stehen sich auf gruselige Art nahe.

Es gab und gibt nie einfache Antworten auf die Fragen des Lebens. Wer nur schwarz und weiß malen kann, hat nie gelernt, Dinge zu hinterfragen. Möglicherweise ist ihm auch die heutige Zeit zu verwirrend und er hat den Überblick und/oder den Anschluss verloren. Aber damit zu beginnen, Schwächere zu treten, nur um sich besser zu fühlen, ist bestimmt kein Wert des Abendlandes, der geschützt werden muss. Wer Hass sät, wird Gewalt ernten.

Es gibt mit Sicherheit viele Dinge, welche in unserem Land anders und besser gemacht werden können. Unsere Demokratie hat den großen Vorteil, dass man sich für sie, auch als Einzelner, engagieren kann. Man kann diskutieren, mitarbeiten und -gestalten. Es bedarf nur des Willens und der Bereitschaft dazu. Wenn ich aber noch nicht einmal meinen Weg zur Wahlurne finde und dies auch noch mit fadenscheinigen Ausreden rechtfertige, muss ich mich nicht wundern, dass es irgendwann nicht mehr so läuft, wie ich es mir vorgestellt habe. Manchmal gewinne ich den Eindruck, vielen wäre es angenehmer, unsere Politik wäre so etwas wie eine Castingshow. Wer oder was nicht passt, wird einfach herausgewählt. Dann muss ich mich damit auch nicht inhaltlich befassen und kann so schön aus dem Bauch heraus entscheiden, ohne meinen Kopf einzuschalten. Es ist immer ganz einfach, aus der zweiten (oder dritten) Reihe zu schimpfen.

Unsere Demokratie kann auch wunderbar mit jeglichem Extremismus, egal von welcher Seite, bei konsequenter Anwendung der Gesetze, umgehen beziehungsweise ihm begegnen. Aber die Rechtfertigung der Verbreitung von menschenverachtender Propaganda mit dem Recht der freien Meinungsäußerung ist nicht zulässig.

Hier etwas zum Nachdenken: Im Jahr 2013 bezogen rund 225 000 Personen zum Jahresende 2013 in Deutschland Regelleistungen, nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Dies sind also Menschen, die in unser Land kamen, weil sie hier sicher sind oder für sich und ihre Familien ein besseres Leben erhoffen. Dafür gab die Bundesrepublik Deutschland rund 1,5 Milliarden Euro aus. 2014 war das Rekordjahr bei der Selbstanzeige von Steuerhinterziehung. Rund 38 000 Selbstanzeigen gingen nur in 2014 ein. Das Finanzministerium von Nordrhein-Westfalen geht, nur in seinem Bundesland, von Mehreinnahmen in Höhe von 457 Millionen dadurch aus. Dies sind Menschen, welche schon lange in unserer Gemeinschaft leben, sich aber aus Habgier nicht am Solidaritätsprinzip unserer Gesellschaft beteiligen wollen. Wer besitzt hier kriminelle Energie?

Oliver Grein, Hockenheim

Im Sommer 2014 haben Sie, Frau Weimer, in Sorge um Israel, Fußballfans aller Welt angegriffen, die voller Freude an einem menschenverbindendem Sportfest in Brasilien Anteil nahmen. Da schon haben Sie den Bogen der Zumutbarkeit Ihrer Meinung überspannt.

Problem sind nicht die über vier Millionen Muslime, die hier mit Achtung, Respekt für unsere Demokratie, ihr Leben, ihren Glauben, ihre Kultur praktizieren. Unter den Muslimen gibt es schwarze Schafe (Salafisten, Islamisten), bei uns Deutschen (Rechtsradikale, Nazis) auch.

Muslimen unserer Gesellschaft muss aber klar sein, Islamisches Recht hat hier keine Gültigkeit. Islamisten, Dschihadisten, IS-Kämpfer, Salafisten, Hassprediger müssen rigoros ausgewiesen werden, um die Besorgnis vieler Deutschen zu mindern.

Ob wir hier zu viele Moscheen oder zu wenig Kirchen haben, interessiert mich erst dann, wenn der Steuerzahler das bezahlen soll. Limburg, Kirchenvermögen zum Beispiel. Das könnte man Rentnern, die am/unter dem Existenzminimum leben, genauso wenig erklären, wie den Menschen, die mit einem oder mehreren Jobs zum Überleben nahe der Armutsgrenze leben. Von Kinderarmut ganz zu schweigen.

Im Koran und in der Bibel gibt es Vorgaben je nach Auslegung, die verachtend sein können. Ich möchte hier in Deutschland keine Frau mit Schleier oder Burka sehen. Frauen und Männer sind gleichberechtigt, egal welcher Kultur, Hautfarbe, Religion. Ich brauche keinen Islamischen Staat mit menschenverachtender Moral, keine selbst ernannten Koranwächter. Ich bin kein Freund der Pegida-Bewegung und trotzdem nicht einverstanden damit, dass sie dann von Politikern als Nazis oder noch schlimmer verunglimpft werden. Meinungsfreiheit, das will ich in dem Land, in dem ich lebe. Nachbar Frankreich weiß dieses Gut seit letztem Mittwoch zu schätzen. Nichts hat so viele Tote, Leid und Menschenverachtung in unserer Menschheitsgeschichte gebracht wie Religionen. Religion wird schon lange auf unserem Planeten komplett überbewertet. Ihre Grundlagen sind Texte, heilige Bücher, alle geschrieben vor 1500 bis 2500 Jahren. Mangelndem Wissen um die Naturgesetze wurde Vieles fälschlicherweise göttlichem Handeln zugeschrieben.

Heute ist es eine andere Welt, wir können vieles erklären, haben Wissen, uns Human untereinander zu verstehen. Vor diesem humanen Verhalten im christlichen, islamischen, buddhistischen religiösen Denken vieler Gläubigen habe ich hohen Respekt, nicht von der Denkweisen der immer mehr werdenden, antiquiert-verblendeten, fanatisch, unmenschlich und geistig abgewanderten Fürsprecher des jeweiligen Glaubens.

Deswegen sind die momentane Erscheinungsbilder jeglicher Religion für unsere Zukunft in der Welt so unnötig wie eine Grippe. Die Menschheit wird erst in Frieden leben können, wenn wir den fehlgesteuerten Glauben gegen einen weltweiten, universellen Humanismus eingetauscht haben. Man sah es am Sonntag in Paris: Menschen vieler Kulturen standen zueinander, politische Führer unterschiedlichster Staatsformen, selbst ein Abbas und Netanjahu vergaßen, was sie sonst trennt. Die richtige Umgangsart als Zukunftsvision für uns Menschen.

Peter Schmitt, Brühl

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