"Die Angst wächst" - Leseransichten zu einem Kommentar / "Name Pegida reichlich bekloppt" Nicht alles über einen Kamm scheren

Lesedauer

Meinungen zum Kommentar von Walter Serif "Die Angst wächst" (SZ, 9. Januar):

Die Kommentare von Walter Serif lese ich sehr gerne. Sie zeichnen sich nicht nur durch Ausgewogenheit, sondern auch durch Standfestigkeit aus. Seine Auffassung im Beitrag "Die Angst wächst", dass die über-große Mehrheit der Muslime in Deutschland den Terror ablehnt, teile ich voll und ganz und kann sie nur unterstützen.

Dennoch macht man (auch die Muslime) es sich zu einfach mit der Erklärung, dass islamistische und dschihadistische Attentate mit dem Islam nichts zu tun haben. Schon die Begrifflichkeit zeigt, dass mit dieser Beschwichtigung etwas nicht stimmen kann. Im gegenwärtigen Islam gibt es wie in allen Weltreligionen viele Strömungen; die einflussreichste ist allerdings leider der Wahhabismus, eine Ende des 18. Jahrhunderts aufgekommene "Reformbewegung". Politisch einflussreich geworden durch die Verbindung mit dem Stamm der Saud, zeichnete er sich von Anfang durch ein unnachgiebiges Vorgehen gegen "andersgläubige" beziehungsweise "nicht-gläubige" Muslime aus. Massaker und Gewalttaten, übrigens auch in Mekka, charakterisieren schon im 19. Jahrhundert den Weg des Wahhabismus. Die Saud, inzwischen "Besitzer" des Königreichs Saudi-Arabien, sind treue Anhänger des Wahhabismus geblieben. Aber auch die Fürstentümer am Golf neigen dieser Richtung des Islam zu. Es ist ein offenes Geheimnis, das leider bei uns offensichtlich nicht veröffentlicht werden darf, dass die Familien von Selbstmordattentätern von diesen Potentaten "fürstlich" entlohnt werden. Auch die Bewegung des Islamischen Staats, die von der Ideologie des Wahhabismus nicht zu weit entfernt ist, wurde ursprünglich mit den offensichtlich unbegrenzten Mitteln dieser Staaten gefördert.

Dass die Saud nicht nur aufgrund der Tatsache, die Beschützer der heiligen Stätten des Islam zu sein, sondern auch aufgrund ihrer Milliarden gegenwärtig die stärkste Kraft im Islam darstellen, sollte man mindestens einmal zur Kenntnis nehmen. Dass Toleranz gegenüber Andersgläubigen (sogar innerhalb des Islam) von ihnen nicht als Tugend betrachtet wird, könnte auch einmal gesagt werden. Solange muslimische Verbände in ganz Europa sich den Bau ihrer Moscheen durch saudi-arabische oder Golfstaaten-Gelder finanzieren lassen, bleiben ihre Stellungnahmen zu Terroranschlägen doch sehr vordergründig. Eine eindeutige Ablehnung des Wahhabismus wäre einmal ein ganz anderes Zeichen, das sicherlich viel Geld kosten wird.

Dr. Gunter Zimmermann,

Oftersheim

Zitat: "Die Gefahr dürfte aber steigen, dass auch in der Bundesrepublik, wo - wie in Frankreich - mehrere Millionen Muslime leben, diese unter einen Generalverdacht gestellt werden. Das Unbehagen der Muslime hat schon vor der Hetze von Pegida angefangen" und "Den wirklichen Krieg führen zwar islamistische Terroristen - , aber nicht an vorderster Front gegen die westlichen Gesellschaften." Ich verstehe: In Paris überfallen radikale Islamisten in einem blutigen Terroranschlag das Satiremagazin "Charlie Hebdo" und töten zwölf Menschen. Bedingt durch die "Hetze" der Pegida wächst nun die Angst der in Frankreich und Deutschland lebenden Muslime. Aber auch vor Pegida war es bereits schwierig, sich hier wohlzufühlen. Hinweis: Es waren nicht fanatische Anhänger der Pegida, die in Paris Muslime töteten. Nein, es waren radikale Islamisten, welche aber glücklicherweise nach der Sichtweise dieser Zeitung "nicht an vorderster Front gegen die westlichen Gesellschaften" kämpfen.

Eventuell vorhandene Probleme von deutschen und französischen nicht muslimischen Bürger/innen kommen in diesem Beitrag - wie so oft - überhaupt nicht vor. Könnte es eventuell sein, dass sich einige der 80 Millionen Deutschen und eventuell auch viele Franzosen die ganz konkrete Frage stellen: "Warum werden wir mit unseren Ängsten und unseren Sorgen, in großen Teilen der Politik und der Berichterstattung einfach nicht wahrgenommen oder fast noch schlimmer, sofort in eine Schublade einsortiert, in die wir nicht gehören?" Zugegeben, der Name Pegida ist reichlich bekloppt. Und zugegeben, auf einige der Frontleute könnte man gut verzichten. Was aber wird passieren, wenn eine Bewegung plötzlich "Widese" (Wir denken selbst) oder "WihaEusatt" (Wir haben Euch satt) entsteht und keine NPD'ler mitmarschieren? Ich habe mein ganzes Leben lang SPD und Grüne gewählt. Bei Widese wäre ich sofort dabei!

Werner Hetterich, Brühl

Mehr zum Thema

Politik „Wir müssen mehr arbeiten“

Veröffentlicht
Mehr erfahren