Zeitumstellung Sklaven der Zeit - und des Mammons

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Wir alle haben unsere Zeitmaschinen: Jene, die uns zurückbringen, sind Erinnerungen, jene, die uns vorwärtsbringen, sind Träume (Visionen). H. G. Wells meinte mit diesem Spruch aus seinem Roman "Die Zeitmaschine" wohl kaum das Herumschrauben am Tagesablauf, also die Umstellung auf Sommerzeit, die trotz zunehmender Kritik nicht abgeschafft wird. Sie scheint wie in Stein gemeißelt, obwohl die Zunahme an Unfällen am Montag nach der Zeitumstellung nachweislich dem "Mini-Jetlag", angelastet wird. Viele würden ohnehin lieber die Zeit zurückdrehen, als "Wertschätzung" nicht nur in Sonntagsreden vorkam und der Zeitdruck Menschen nicht zur Verfügungsmasse degradierte, die nur noch nach Wertabschöpfungsprozessen zu ticken und zu funktionieren haben.

"Wir werden ständig auf dem Wetzstein von Schmerz und Not zurecht geschliffen", heißt es in Wells "Zeitmaschine". Zeit ist das Wertvollste und Einzige, was uns auf Erden wirklich gehört. Aber nicht der Kalender, sondern der Mammon bestimmt den Tagesablauf in einer rein auf Kommerz und Profit getrimmten Gesellschaft. Ihr "Geiz-ist-geil"-Slogan erreicht auch den letzten Winkel auf unserem Planeten wie beispielsweise die Palmölplantagen im Urwald, damit die Schnäppchenjäger mit ihren Autos biologisch in die Einkaufszentren fahren können, um sich mit Ramsch einzudecken, den Sklaven in baufälligen Hallen in Indien oder China zusammenschustern. Die Welt wird immer verrückter - und der Mensch gleich mit.

Damit Produktionsanlagen rund und effizient laufen, optimieren Firmen zwar jedes Stellschräubchen, aber den Befindlichkeiten ihrer wichtigsten Ressource - den Mitarbeitern - schenken sie zu wenig Beachtung. Dass in den letzten zehn Jahren die psychischen Erkrankungen um über 80 Prozent zugenommen haben, liegt unter anderem an einem Spleen, der in den USA unter dem Begriff "seven/twentyfour" (7/24) bekannt ist. Also an sieben Tagen 24 Stunden rund um die Uhr Betriebsamkeit - ohne Innehalten an Sonn- und Feiertagen. Schon die Kleinkinder werden dort in entsprechenden Einrichtungen rund um die Uhr verwahrt, damit Eltern an ihrem Arbeitsplatz Tag und Nacht bis zur Erschöpfung funktionieren können. Der "Homo Ticktacktilus Commerzensis" macht sich zum Sklaven der Zeit, weil die Gier den Takt vorgibt.

Herbert Semsch, Brühl

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