Adler Mannheim

20 Stunden Adrenalin

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Die blaue Wand in der Nordwestkurve - und Thomas Steinert mittendrin. Der Fanbeauftragte der Mannheimer Adler lebt Eishockey.

© Binder

Egal, wie's steht, egal wie weit der Weg: Dort, wo die Adler sind, ist Thomas Steinert. Seit 2005 ist der Ladenburger der Fanbeauftragte der Blau-Weiß-Roten, er fungiert als Bindeglied zwischen Klub und Anhängern. Der 37-Jährige, der bei der Walldorfer SAP arbeitet, schildert das erste Finale aus Sicht eines Hardcore-Fans. Von Christian Rotter

6.37 Uhr

Nach einer unruhigen Nacht wecken mich das erste Licht des Tages und mein kleiner Sohn. Man merkt sofort die aufkommende Anspannung und dass heute irgendwas anders ist. FINALE!

7.40 Uhr

Mein Sohn Ben wird von seiner Schwester Lia und mir in die Krippe gebracht. Dem kleinen Mann fällt der Abschied heute sichtlich schwer. Ich glaube, er wäre heute Abend auch gerne dabei.

8.17 Uhr

Als nächstes betreten wir den Kindergarten.

8.25 Uhr

Ich verlasse das wunderschöne Ladenburg, und ab geht es auf die A5 zur Arbeit.

8.47 Uhr

In Walldorf angekommen, überlege ich mir, dass es wohl nicht der längste Arbeitstag meiner bisherigen Laufbahn wird. Allerdings könnte der Tag insgesamt ziemlich lang werden. Egal, ich stürze mich voller Energie in meine Arbeit.

8.54 Uhr

Ich muss dann doch mal nachsehen, ob es in der Facebook-Welt auch schon ums Finale geht. Tatsächlich. Mannheim ist heiß und kann es schon jetzt kaum erwarten, heute Abend endlich beim ersten Spiel dabei zu sein.

10.10 Uhr

Ein Kollege kommt herein und fragt mich, ob alles klar ist. Außer der kalten Hände und dieser Nervosität ist alles super. Die Sonne scheint, und der Play-off-Bart sitzt.

10.54 Uhr

Kurzes Telefonat mit dem Ticket-Chef aus Ingolstadt. Die Karten für die Fahrer der Busse am Sonntag sind noch offen.

11.32 Uhr

Ein frühes Mittagessen. Die Farbe grün wird dabei überbewertet. Anschließend gibt's einen Spaziergang durch die Sonne, um die Nervosität zu besiegen.

13.16 Uhr

Ich bin so sehr auf meine Arbeit konzentriert, dass ich erst mal den Sicherheitsbeauftragten in Ingolstadt anrufe. Letzte Details zu den angemeldeten Choreographien müssten noch mit ihm geklärt werden.

13.56 Uhr

Wieder wird telefoniert. Adler-Geschäftsführer Matthias Binder ist jetzt mein Gesprächspartner. Wir vereinbaren ein Meeting für den Nachmittag.

14.03 Uhr

Facebook vermeldet in den meisten Fällen ebenfalls steigende Euphorie. Ein kleiner Teil der Fans ist schon auf dem Partyschiff von Eberbach nach Mannheim unterwegs. Bei dem Wetter ein Traum.

14.42 Uhr

Der ideale Zeitpunkt, um heute zu gehen. Länger schaffe ich nervlich auch nicht.

15.25 Uhr

Endlich zu Hause in Ladenburg. Das Heidelberger Kreuz kann freitags irgendwie nichts.

15.35 Uhr

Bei über 20 Grad und der Gewissheit, dass die SAP Arena nachher auch mit Temperaturen weit über dem Gefrierpunkt wartet, gibt es heute eine kurze Hose und natürlich ein blaues Adler-T-Shirt.

16.00 Uhr

Die Familie wird noch mal geknutscht, und meine Tochter wünscht mir ganz viel Spaß und will den Adlern heute Abend die Daumen drücken.

16.05 Uhr

Endlich ab nach Mannheim. Ich dachte, ich hätte das alles schon oft genug erlebt, um besser damit umzugehen, aber die Nervosität will einfach nicht kleiner werden und steigt weiter an.

16.25 Uhr

Überall vor der Arena sieht man schon Fans mit Trikots, und an Eingang D stehen bestimmt schon 100 an.

16.30 Uhr

Ich treffe mich mit meiner Kollegin Tanja, weil wir noch einen Termin mit Matthias Binder in seinem Büro haben. Langsam wird es mit der Nervosität besser - endlich.

17.10 Uhr

Wir gehen rüber in die Arena. Ich muss mir sofort ansehen, wie die ausgelegten Ponchos aussehen. Das muss nachher einfach nur genial wirken.

17.50 Uhr

Die Arena öffnet zehn Minuten früher. Es sind noch über 90 Plätze für das zweite Spiel in Ingolstadt in unseren Fanprojekt-Bussen zu ergattern.

17.51 Uhr

Wir haben heute noch einmal 420 T-Shirts mit dem Aufdruck "immer weiter" im Verkauf.

17.59 Uhr

Es wird eng mit den Busplätzen. Erster Frust unter denen, die weiter hinten anstehen, macht sich breit. Es gibt viel zu wenig Plätze für die enorm große Nachfrage. Gefühlt möchte ganz Mannheim nach Ingolstadt mit.

18.03 Uhr

Das Tour-Team meldet ausverkauft.

18.20 Uhr

Kein einziges T-Shirt mehr da. Absoluter Wahnsinn!

18.35 Uhr

Kurz bei unserem Stadionsprecher Udo vorbei und unterwegs noch unseren ehemaligen Marketingleiter und jetzigen Geschäftsführer des FSV Mainz 05, Dag Heydecker, getroffen.

19.01 Uhr

Ein kurzer Austausch mit unserem szenekundigen Beamten und dem Chef der Sicherheitsfirma Lieblang. Alles läuft.

19.14 Uhr

Das Licht geht aus. Die Fans sind heiß. Selten hört man schon so früh Gesänge durch die Arena schallen. Es ist Finale - und das spürt man an jeder Ecke.

19.22 Uhr

Der Play-off-Trailer treibt mir eine Gänsehaut auf beide Armen.

19.23 Uhr

Die Adler laufen unter einem unglaublichen Lärmpegel in die Arena ein. Die Ponchos wirken überragend und tauchen die Halle in ein einheitliches Blau. Ich will mehr davon!

19.28 Uhr

Die Nationalhymne ertönt. Ich muss zugeben, dass ich schon lange keine so gute Version mehr gehört habe. Katia Belley singt sie einfach perfekt.

19.35 Uhr

Die Adler legen ordentlich los, und die Stimmung ist zu Beginn richtig gut in der Halle.

20.37 Uhr

Mist, Petr Taticek lässt die Gäste jubeln. Ein ordentliches Pfund oben in den Winkel an Endras vorbei - und damit die Führung für Ingolstadt.

20.37 Uhr

Die Adler geben nur 18 Sekunden später die passende Antwort. Christoph Ullmann wird von Jochen Hecht mustergültig bedient. Die Arena steht Kopf! Boom, Explosionsgefahr.

20.58 Uhr

Zweite Pause. Im Fahnenraum helfen ein paar Liegestütze gegen alles!

21.13 Uhr

Auf geht's ins letzte Drittel. Bitte alles klarmachen. Eine Verlängerung gleich im ersten Spiel ist nicht gut für den Blutdruck!

21.14 Uhr

Taticek sitzt schon zum dritten Mal auf der Strafbank. Gibt's für den da heute Payback-Punkte, oder hat Udo noch Dampfnudeln vom Vortag übrig?

21.28 Uhr

Je länger das letzte Drittel dauert, desto angespannter werden auch die Fans in der Halle. Wer nicht singen kann, kaut Fingernägel oder zuckt nervös mit den Beinen.

21.37 Uhr

Da Eishockeyspieler wie Fans sehr abergläubisch sind, gehe ich alle Rituale in meinem Kopf durch. Stelle aber fest, dass ich mir nichts vorzuwerfen habe. Der Sieg kann nur noch eine Frage der Zeit sein.

21.53 Uhr

Die reguläre Spielzeit ist rum. Wer ersetzt mir die ganzen Jahre, die ich bei so einem Spiel verliere?

22.08 Uhr

Die Overtime beginnt. Überall angespannte Gesichter, die wie gebannt aufs Eis schauen.

22.12 Uhr

Die Spannung ist kaum auszuhalten. Ich kann bei meinen Stehplatznachbarn erste graue Haare erkennen, die zu Spielbeginn nicht da waren!

22.17 Uhr

Booooooom. Ronny Arendt erlöst Mannheim für diesen Abend. Timo Pielmeier hat jeden noch so unhaltbaren Schuss an diesem Abend abgeblockt und lässt sich dann so ein nachträgliches Osterei ins Nest legen. Was für Emotionen um mich herum. Pure Freude, und alles liegt sich in den Armen. Der so unglaublich wichtige erste Sieg in dieser Serie. Die ganze Anspannung fällt von mir ab. Eine Schneelawine, die ins Tal donnert, ist nichts dagegen.

22.25 Uhr

Zurück am Fanstand. Viele Gespräche folgen, und man sieht überall die glücklichen Gesichter.

22.55 Uhr

Langsam wird zusammengeräumt.

23.10 Uhr

Ich verlasse mein zweites Wohnzimmer und packe meinen Schwager Jens noch ins Auto. Gemeinsam geht es mit einigen Leuten in die Spaghetti Oper zum Essen. Bei einem Teller Spaghetti in Chili-Mango-Soße und diversen Gesprächen über das Spiel und das Drumherum klingt der Abend aus.

0.40 Uhr

Ich befinde mich auf dem Heimweg mit meinem Schwager. Kurz vor seiner Haustür bemerkt er, dass sein Schlüssel im Auto einer Freundin liegt. Also noch mal nach Mannheim zurück und den Schlüssel geholt.

1.35 Uhr

Zu Hause ist alles ruhig. Meine Frau Michaela und die Kinder schlafen. Ich gehe den Tag in meinem Kopf noch mal durch und schlafe irgendwann nach 2 Uhr mit einem Lächeln, aber fix und fertig, ein. Tage wie dieser sind der reinste "Play-off-Ausnahmezustand".

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