Große Koalition - Von Heilsbringern, Luftnummern und gefährlichen Blendern / Wer die AfD hört, sollte an Humboldt denken Merkel allein zu Haus

Lesedauer

So langsam sind die Bürger wirklich angewidert und, wenn die Sache nicht so ernst wäre, könnte man glatt meinen, die Karnevalshochburgen liegen nicht am Rhein, sondern an der Spree in den Parteizentralen von SPD und Union.

Also einen Narrhallamarsch auf Martin Schulz, der mit einem Fingerspitzengefühl wie ein Vorschlaghammer rekordverdächtig vom Heilsbringer zur Nullnummer zerbröckelte. Die SPD muss jetzt höllisch aufpassen, dass sie sich nicht völlig zerlegt. SPD-Urgestein Rudolf Dreßler meinte auf dem TV-Sender Phoenix, dass die Basis zurecht sauer ist und er fügte ergänzend hinzu, dass er gegen die „Groko“ stimmen werde, da das, was die SPD-Parteispitze bisher über den Groko-Vertrag kommuniziert habe, vom Vertragstext gar nicht wirklich gedeckt sei.

Aber auch in der CDU brodelt es gewaltig, vor allem, nachdem die CDU-Spitze die eigene Partei – allein zum alternativlosen Wohl der „Zarin aus der Uckermark – bis zur Selbstverachtung entblättert hat. „Puuh! Wir haben wenigstens noch das Kanzleramt“, das twitterte der hiesige CDU-Abgeordnete Olav Gutting mit sarkastischem Unterton zurecht. Und obwohl sich Merkel einen Dreck um die kritischen Geister in ihrer Partei schert, hofft der CDU-Landwirtschaftsminister Hauck aus dem Ländle, dass Merkel die Zeichen der Zeit erkennt und – wie er auf SWR 1 formulierte – „endlich einen organischen Übergang einleitet“. Das ist geringfügig freundlicher formuliert, als dies beispielsweise AfD-Chef Gauland wohl tun würde. Ich denke, der würde Merkel jagen und in Anatolien oder Südamerika entsorgen.

Dort, in Chile, habe Merkel eine Hazienda, falls sie aus Deutschland fliehen müsste, meinte Beatrix von Storch in einer Talkshow vor zwei Jahren. Etwa um diese Zeit beantwortete die AfD-Vize auf Facebook auch die Frage, ob man an der Grenze auch auf flüchtende Frauen und Kinder schießen dürfe, mit einem klaren „Ja“. Als man sie damit konfrontierte, meinte sie nur lapidar, sie sei versehentlich von der (Computer-)Maus gerutscht.

Ja, die AfD und ihre Blender mit ihren markigen Sprüchen. Wenn man diese googelt, dann findet man so Einiges, so etwa den Begriff „Justizhuren“ für unsere Richter(innen). Oder wie grad aktuell zu lesen ist, soll laut Spiegel, der AfD-Politiker Peter Boehringer, Vorsitzender des Haushaltsausschusses im Bundestag, Angela Merkel, weil sie jeden rein lässt, als „Nutte“ bezeichnet haben.

Und Herr Höcke möchte, dass Deutschland nicht nur eine tausendjährige Vergangenheit, sondern eine ebensolche Zukunft hat. Vielleicht meint er deshalb, dass das Holocaust-Mahnmal in Berlin ein Denkmal der Schande ist. Als ob das Universalgenie Alexander von Humboldt es geahnt hätte, welche dunklen Zeiten mal auf Deutschland zukommen würden, formulierte er schon vor 200 Jahren jenen Satz, der die größenwahnsinnige Arroganz despotischer Volksverführer entlarvt: „Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung jener Leute, die die Welt nie wirklich angeschaut haben.“ Und sein Bruder Wilhelm von Humboldt meinte: „Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft!“ Ich meine, ein tausendjähriges Deutsches Reich, war schon eines zu viel!

Herbert Semsch, Brühl

Mehr zum Thema

Kommentar Die Grenzen einer Kanzlerin

Veröffentlicht
Kommentar von
Christian Unger
Mehr erfahren