Kultur - Zum Jahresende muss Heidelberg Bilanz halten und Ausblick geben / Literarisches Zentrum entsteht

Neue Räume, ermutigte Akteure

Von 
Michaela Roßner
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Auf der Konversionsfläche in der Heidelberger Südstadt entsteht das Mark Twain Center. Im ehemaligen Kommandantenhaus der amerikanischen Streitkräfte bekommt auch das Literarische Zentrum (LiZ) ein Zuhause. © Rothe

Heidelberg. 15 Seiten müssen genügen: So wenig Platz steht am Jahresende zur Verfügung, um zu beschreiben, was sich in drei Jahren als Unesco-Literaturstadt entwickelt hat – und was noch kommen soll. Den Titel hat Heidelberg nicht auf ewig erhalten, sondern muss ihn sich immer wieder erarbeiten – unter anderem mit dem Dossier zum Ende der ersten vier Jahre. Wie 22 andere der insgesamt 180 „Kreativ-Städte“ der Unesco auch.

Einige Termine in der Literaturstadt Heidelberg

  • Zum ersten Mal verleihen die Heidelberger Autorinnen und Autoren – seit 2015 in einer Versammlung organisiert – einen Literaturpreis. 28 Romane und Erzählungen wurden eingereicht. Am 7. Juni wird der Preis im Hilde-Domin-Saal übergeben. Am 27. Februar gibt es dort eine Präsentation der Wettbewerbsbeiträge und am 12. April eine Lesung aus der Shortlist. Am 17. April laden die Autoren zu einer Diskussion unter dem Thema „Was ist gute Literatur?“. Alle Veranstaltungen beginnen um 19 Uhr in der Stadtbücherei.
  • Am 16./17. Juni steigt im Dezernat 16 (Emil-Maier-Straße 16) das zweite, rein privat organisierte Literaturcamp. Die 250 Tickets für das erste Literaturcamp 2017 waren sehr schnell ausverkauft. Die vielen Workshops und Vorträge, auch „Sessions“ genannt, werden von den Besuchern selbst mitgebracht und jeweils am Morgen kurz vorgestellt. Sessions, für die sich genügend Interessenten finden, kommen auf den Stundenplan der Konferenz  www.literaturcamp-heidelberg.de).
  • Die „Heidelberger Literaturtage im Aufbruch“ locken vom 15. bis 19. Juni ins Spiegelzelt auf dem Universitätsplatz (www.heidelberger-literaturtage.de).
  • Poesie unterwegs: Gedichte und Gedanken von Heidelberger fahren in den Bussen und Straßenbahnen der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (RNV) durch die Stadt. Sie hängen an den Seitenscheiben als Plakate. Die Texte werden vierteljährlich, also wieder zum 1. April, 1. Juli und 1. Oktober, ausgewechselt. Bis Ende 2018 kommen die rund 100 000 Fahrgäste so in den Genuss von 45 literarischen Texten.

„Es hat sich viel entwickelt“, bestätigt Frank Barsch, einer der Heidelberger Autoren, die sich seit 2015 in eigener Versammlung austauschen und in diesem Jahr zum ersten Mal einen eigenen Literaturpreis ausloben – parallel zu den bereits etablierten Auszeichnungen wie dem Brentano-Preis und dem Hilde-Domin-Preis.

Die Ernennung Heidelbergs zur Unesco-„City of Literature“ hat laut Jakob Köllhofer, dem Direktor des Deutsch-Amerikanischen Instituts (DAI), bereits einige kreative Kraft freigesetzt: „Man stellt fest, dass es viel Lust gibt, daran zu arbeiten“, meint er. Den Unesco-Titel („ohne Ehre und nicht mit Geld verbunden“) sieht er als „Auftrag, die Stadt zu literarisieren“ und sich international zu vernetzen.

Neue Formate und Orte

Neben traditionsreichen Institutionen wie der Universität mit vielen Instituten, der Stadtbücherei, den Buchhandlungen und Verlegern bilden sich neue Formate – etwa ein Literaturcamp im Dezernat 16, das rein privat organisiert und finanziert wird. Apropos: „Der Unesco-Titel bietet Möglichkeiten, ist aber nicht mit Zahlungen der Unesco verbunden“, sagt Kulturamtschefin Andrea Edel. Der städtische Etat hält für die Literaturstadt etwa 200 000 Euro jährlich bereit – für Sachkosten.

Ein neuer Ort für Literatur und Sprache entsteht gerade in der Heidelberger Südstadt. Das Literarische Zentrum (LiZ) wächst unter der Regie des DAI und soll von der Nachbarschaft des Kurpfälzischen Museums und des Heidelberg Center for American Studies (HCA) profitieren: Alle drei Einrichtungen zusammen haben den Auftrag, das künftige Mark Twain Center in der ehemaligen Kommandatur mit Leben – und Kultur – zu füllen. Wann genau das LiZ in das geschichtsträchtige Gebäude an der Römerstraße 166 einzieht, wissen Jakob Köllhofer und LiZ-Chefin Jutta Wagner noch nicht. „Wenn es nach uns gegangen wäre, wären wir schon drin“, sagt der DAI-Chef, ganz ohne Bitternis. Im Januar 2016 rund um den Besuch von Nobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch gegründet, funktioniert das LiZ vorerst ohne eigenes Zuhause und ist mit seinen Veranstaltungen in der gesamten Stadt zu Gast.

Von April bis Juli gibt die IBA einen Zwischenstand ihrer Arbeit und plant eine Reihe von Veranstaltungen. Danach gehe der Ausbau des Mark Twain Centers im Volldampf weiter. „Wir hoffen, bis Ostern 2019 zu eröffnen“, steckt Köllhofer vorsichtig den Zeitrahmen ab. „Wenn’s Herbst wird, ist es aber auch nicht schlimm.“ Die Baumaßnahme wird mit mehr als 2,2 Millionen Euro vom Bund im Rahmen des Programms „Nationale Projekte des Städtebaus“ gefördert.

Das LiZ wird ohne Zweifel ein Kind des DAI sein – es soll sich aber auch frei entwickeln können. „Wir wollen Leute befähigen, sich ein eigenes Urteil zu bilden“, umschreibt Köllhofer den Bildungsauftrag des DAI. Schon bei Kindern und Jugendlichen möchte man „die Ohren für Zwischentöne schärfen“. So gibt es etwa das Programm „Wieso - Weshalb - Warum?“ für Sechs- bis Neunjährige, die ganz frei über all das „philosophieren“, was ihnen auf dem Herzen liegt. Ein Teil des jungen Programms zieht mit in die Südstadt.

Den DAI-Verantwortlichen geht es nicht darum, „eine neue Institution“ zu schaffen, formuliert Köllhofer mit unüberhörbarem Verweis auf die inzwischen beendete Diskussion um ein „Literaturhaus“ in Heidelberg. „Ob Interkulturelles Zentrum, Karlstorbahnhof, Stadtbücherei, DAI, Grüner Salon, Literarischer Herbst oder Montpellierhaus: Wir haben schon jede Menge Literaturhäuser“, unterstreicht Köllhofer. „Wir sollten überall etwas wachsen lassen und uns öffnen für die großen Erzählungen der Welt.“ Und das LiZ? Es wird für Köllhofer „episch, laut schrill – und vor allem der Appell, nicht zu verwahrlosen.“

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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