Bildungshoheit gehört endlich zum Bund

Lesedauer

Zum Artikel „Im Sommer arbeitslos“ vom 9. Juli:

Wertschätzung fängt beim guten Umgang mit den Menschen an, denen wir unsere Kinder anvertrauen. Bildung ist unser höchstes Gut als Bundesrepublik mit wenig Rohstoffen. Soweit die Theorie, wie sie sich Eltern und Kultusministerien gleichermaßen wünschen. Immer dringlicher wird auch eine Erziehung zum kritischen Umgang mit digitalen Medien und populistischen Fake News, eigene Medienkompetenz und Demokratiegrundlagen, das geht weit über die Rahmenpläne der Schulfächer hinaus.

Und in der Praxis? Die staatlichen Schulen sind „heilige Kühe“ in Deutschland: Unsere Schuldirektoren haben keine Personalhoheit, dürfen also über ihre eigene Lehrerauswahl nicht entscheiden. Und noch übler: Wer einmal da ist, den werden sie nicht wieder los – egal, ob er wirklich Leistung bringt und den Kindern ein Ausbildungspartner sein kann. Leistungskontrollen finden bei der Prüfung zum ersten und dann zum zweiten Staatsexamen statt, danach nicht mehr.

Die Krankenstände, Burnout-Betroffene, frühzeitige Pensionäre sind in kaum einem Berufsstand so hoch wie bei Lehrern. Die Schulen feiern sich, wenn sie 80 Prozent des Unterrichts halten können – das entspräche einer Quotenerfüllung von 100 Prozent, habe ich mir mal als Mutter sagen lassen – auf meine naive Frage hin, warum denn so viele Stunden ausfallen müssten. So viel Mathematik kann ich selbst noch, um zu erkennen, dass hiermit jede fünfte Unterrichtsstunde ausfällt. Und die vollen Rahmenpläne, die Lehrer wie Schüler zu erfüllen haben, sind nach wie vor nur mit Mühe umsetzbar – noch gar nicht zu reden von G8.

Die Besten warten nicht

Gleichzeitig haben junge, motivierte Lehramtsanwärter kaum Chancen, ihre Berufslaufbahn verlässlich zu planen – geschweige denn, eine eigene Familie zu gründen und finanziell abzusichern. Es sollte unseren Regierenden doch peinlich sein, dass sie sich von Schuljahr zu Schuljahr durchhangeln, über die Sommerferien wieder entlassen werden und in dieser Zeit von unseren Sozialkassen leben müssen. Es ist respektlos, und für einen reichen Staat wie die Bundesrepublik auch verantwortungslos.

Die Besten, behaupte ich, warten nicht drei Jahre lang (!), bis sie dann hoffentlich einen unbefristeten Vertrag bekommen. Sie wandern spätestens nach dem zweiten In-der-Luft-hängen über die Sommerferien und dem Spott ihres Freundeskreises über den notwendigen Gang zum Jobcenter ab. Sie gehen in Privatschulen, Waldorfschulen oder in die Privatwirtschaft.

In die Zukunft denken heißt für alle, flexibler zu werden – auch an unseren Schulen. Das wichtige Thema Bildung gehört endlich in die Hoheit des Bundes, und so beschämende Arbeitsbedingungen für die jungen Nachwuchslehrer, die sich zu Recht als Lehrer-zweiter-Klasse behandelt fühlen, darf unsere Gesellschaft keinem Bundesland länger durchgehen lassen.

Info: Originalartikel unter http://bit.ly/2LxMqDS

Mehr zum Thema

Interview Theresa Schopper: „Wir können keine großen Sprünge machen“

Veröffentlicht
Mehr erfahren