Islamkonferenz - Freiheit des Bekenntnisses und ungestörter Religionsausübung / Gleichberechtigung von Mann und Frau / Bürgerliche Teilhabe durch Bildungsangebote Totalitäres Religionsverständnis ablehnen

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Im Jahr 2006 fand die erste Islamkonferenz in Deutschland statt: Eingeladen hatte der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble. Ziel war, die muslimische Bevölkerung besser zu integrieren und ein gutes Miteinander zwischen Menschen aller Religionen zu bewirken.

Gesprächspartner waren von Anfang an die „Dachverbände“, die sich im Wesentlichen mit dem Bau von Moscheen und dem Unterricht befassten. Sie gelten bis heute als traditionell und konservativ, arbeiten mit staatlichen Stellen zusammen, suchen aber kaum Kontakt mit uns Deutschen. Wer kennt schon eine von ihnen? Die Ditib vielleicht, die der türkischen Religionsbehörde angeschlossen ist. Oder den Zentralrat der Muslime mit seinem Vorsitzenden Aiman Mazyek.

Aufmerksamkeit für ihre Sache haben sich jedoch andere erworben. Einzelpersonen wie der Grüne Cem Özdemir, Ahmed Mansour, der es immer wieder zu „Hart, aber fair“ schafft, Seyran Ates, die in Berlin eine „liberale Moschee“ gegründet hat, oder Hamad Abdel-Samad mit seiner Streitschrift. „Ist der Islam noch zu retten?“ (Droemer, 2017).

Sie und andere Gleichgesinnte haben sich letzte Woche mit einer „Initiative säkularer Islam“ in der vierten Islamkonferenz zu Wort gemeldet. Im Kern geht es ihnen darum, ihren Glaubensbrüdern Rechte zu verschaffen, die in unserer Demokratie selbstverständlich sind, etwa: Freiheit des Bekenntnisses und ungestörter Religionsausübung, Gleichberechtigung von Mann und Frau, Kinderrechte oder mehr bürgerliche Teilhabe durch Bildungsangebote.

Über all das muss gesprochen werden. Mit wem aber? Ein Adressat wird nicht genannt. Eigentlich müssten doch alle Christen angesprochen werden, denen ihr Glaube (noch) wichtig ist, ebenso die evangelische Kirche Deutschlands (EKD) und die katholische Bischofskonferenz. Und warum? Alle Religionen sind Schwestern. Ihr gemeinsamer Vater ist Abraham, der geistige Ahnherr des Ein-Gott-Glaubens. Und wenn die Initiative ein „entspanntes Verhältnis zur deutschen Gesellschaft“ fördern will, hat sie im so kurzen wie universalen Gebot Gottes an Abraham ihr vielleicht wichtigstes Ziel: „Sei(d) ein Segen.“

In seiner Offenheit motiviert es jeden, seinen eigenen Weg für sich und an der Seite anderer zu finden. Es kann alle motivieren, einen Geist der Liebe zu Gott, den Menschen und der Bewahrung der Umwelt zu gehen. Wer diesen Appell vergeblich sucht, entdeckt eine denkbare Erklärung im Satz: „Wir lehnen ein totalitäres Religionsverständnis ab.“ Diese Abgrenzung würde wohl kein deutscher Christ für notwendig halten. Die Kirchen und der Staat arbeiten kooperativ zusammen. Es würde nur eine Minderheit die „weitgehende Trennung von Religion und Politik“ fordern.

Trotz dieses Einwands ist der Appell der Initiative bemerkenswert. Er zeigt die Notwendigkeit einer weltweiten Debatte, die von ihm ausgehen sollte. Deutschland ist zwar nicht der Pol des Glaubens, um den sich alles dreht. Es wird aber weltweit beachtet. Unser Land hat zahlreiche Jesiden aus dem Irak gerettet, und die in Pakistan zum Tod verurteilte Christin Asia Bibi hat, wie selbstverständlich, um Asyl in Deutschland gebeten.

Helmut Mehrer, Brühl