Inhaltsgerechte Berichterstattung

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Zum Kommentar „Hilfsbedürftig“ vom 28. November:

Herzlichen Glückwunsch zu einer endlich sach- und inhaltsgerechten Berichterstattung im Ukraine-Konflikt, die ich oft genug kritisiert habe. Ich denke, das ist der neuen Korrespondentin Inna Hartwich zu verdanken, die vor einiger Zeit vorgestellt wurde. Den von ihr verfassten Kommentar kann ich zu 100 Prozent unterschreiben. Drei der Hauptpunkte möchte ich dazu noch einmal mit meinen eigenen Worten und Erfahrungen einer (angeheirateten) ukrainischen Familie aufgreifen.

1) Die Maidan-Proteste von 2013/2014 hat sie ganz richtig als „Studentenproteste” bezeichnet. Das war zwar ein Massenprotest, aber auch eine Million Menschen repräsentieren nicht die Mehrheit in einem 48-Millionen-Volk. Es waren in der überwiegenden Mehrzahl Studenten, die „noch nie in ihrem Leben etwas gearbeitet hatten”, so die Kritik damals von den schwer arbeitenden Kumpels aus dem Donezk-Becken.

2) Die Ukraine lebt in einem riesigen Korruptionssumpf; da macht jeder mit, auch meine eigene Familie, ich hätte x Beispiele. Und folgerichtig hat zum Beispiel auch Präsident Poroschenko nicht seine Süßwarenfirma verkauft: Roschen, der mittlere Teil des Namens Po Roschen ko. Die braucht er auch, weil er bei der nächsten Wahl abgewählt wird, und nicht wie bei uns eine lebenslange Staats-Versorgung bekommt.

3) Im letzten Satz sagt Inna Hartwich das Wichtigste, was ich schon lange voraussage, nämlich dass ohne westliche Hilfe die Ukraine „in nicht überlebensfähige Einheiten zerbricht”. Das wird aber meines Erachtens nach über kurz oder lang passieren, ob mit oder ohne russischen Druck, weil es von innen kommt. Die Ukraine ähnelt in diesem Punkt dem in den 1990er Jahren zerfallenden Jugoslawien. Meine Vorhersage ist seit langem, dass die Ukraine in drei Teile zerbricht:

a) im Osten Nova Russia (Neurussland). Dieses wird die Mariopol-Lücke zur Krim schließen und sehr enge und freundschaftliche Beziehungen zu Russland pflegen, weil dort viele ethnische Russen leben und Russisch sprechen wollen.

b) in der Mitte die (Rest-)Ukraine rund um Kiev, Dnjepropetrovsk und Odessa. Diese wird sich wohl neutral verhalten, und man wird dort Russisch und Ukrainisch nebeneinander sprechen und nicht in die Nato streben, aber vielleicht in die EU.

c) Galizia (Galizien) im Westen mit Lwov als Zentrum. Dort sind die Nationalisten zu Hause, man spricht ausschließlich ukrainisch und geht in die (dort vorhandenen) katholischen Kirchen. Dieses Galizien wird in die EU und Nato streben, aber dem nationalistischen Ungarn von Viktor Orban ähnlich sein.

Ein Präsident Poroschenko wird bald Geschichte sein, aber die Einheit der Ukraine auch. Wie heftig der Weg dorthin sein wird, kann im Moment keiner seriös vorhersagen.

Bei absolut unklarer Faktenlage fordert Frau Hartwich in einem Kommentar die Nato und Europäische Union auf, der Ukraine beizustehen. Die Situation ist, dass vom Asowschen Meer über eine schmale, ausgebaggerte Verbindung, 24,3 Kilometer lang, 120 Meter breit, Schiffe mit einem Tiefgang von acht Meter und 252 Meter Länge fahren können, um in das Schwarze Meer zu gelangen.

Dieser nutzbare Kertsch-Jenikalsker-Kanal ist seit Eröffnung der Krim-Brücke mit auf 35 Meter beschränkter Durchfahrtshöhe, mit vorheriger Anmeldung bei den Russen, von ukrainischen Schiffen durchfahrbar, wie auch für Schiffe anderer Nationen.

Nachdem die Krim als der Autonomen Republik Krim zu Russland gekommen war, wurde von der Ukraine die Infrastruktur in dieser Region gekappt, beziehungsweise zerstört. Russland hat zur Versorgung und zur wirtschaftlichen Sicherung der Krimbevölkerung eine Brücke vom russischen Festland auf die Krim gebaut. Diese geht wie bereit angemerkt über den Kertsch-Kanal.

Bisher drohten die ukrainischen Regierungspolitiker immer wieder mit der Sprengung dieser Brücke. Es durchfuhren bereits einmal zwei ukrainische Kriegsschiffe ohne Voranmeldung russische Gewässer, wobei dabei von den Russen nur beobachtet und Kiew anschließend „diplomatisch“ aufgeklärt wurde. Es ist nicht nur international üblich, sondern auch durchaus verständlich, dass mit einer entsprechenden Voranmeldung die ukrainischen Schiffe, wie seit Jahren die Stelle wieder durchfahren hätten können.

Die Ukraine hat also diesen Verstoß als bewusste Provokation unternommen! Kiew hat Russland provoziert und dabei den Kürzeren gezogen, wobei die Russen noch sehr moderat vorgingen! Die ukrainischen Schiffe sind, trotz mehrmaliger Aufforderung zu stoppen, weiter gefahren, was für die Russen auch die Annahme nicht ausschließen konnte, die Ukrainer wollten die Brücke in irgend einer Weise außer Betrieb setzen. Oft genug gedroht hatten sie ja damit.

Dieser Vorgang reiht sich in eine endlose Kette von Widersprüchen der Kiewer Politiker. So hat Poroschenko immer wieder die Behauptung in die Welt gesetzt die Russen stünden Stunden oder Tage vor dem Einmarsch und Übernahme der Ukraine. Der moralische Zustand der Ukraine ist das Problem, er zeigt sich in der wirtschaftlichen Situation des Volkes zum Kontrast zur Milliardärs-Clique der Regierenden.

Auch mit der vorgetäuschten Ermordung des kreml-kritischen russischen Journalisten Arkady Babchenko hat die ukrainische Regierung und der Geheimdienst SBU selbst bei den Unterstützern das Vertrauen verspielt. Besonders geschmacklos war, dass dieses Schmierentheater beim Staatsbesuch des deutschen Bundespräsidenten in der Ukraine stattfand und letzterer, unwissend der Lügen des Gastgebers, sein Bedauern ausgedrückt hatte.

Die Reihe lässt sich unendlich fortsetzen. Eine Analyse der Vereinbarungen des Minsk-Abkommens zeigt das totale Verweigern des Herrn Poroschenko. Deshalb müssen wir alles vermeiden, diese ukrainische Regierung darin zu veranlassen Lösungen zu suchen, die außerhalb der Diplomatie liegen. Das ausgerufene Kriegsrecht dient nur dazu, uns in die Falle eines militärischen Einsatzes in der Ukraine zu locken.

Info: Originalartikel unter http://bit.ly/2BbawNt