So schnell verschwinden Vorurteile. Container - das klingt nach Provisorium, nach Baustelle, nach primitiver Behausung. Nichts davon bestätigt sich beim Ortstermin in der Bensheimer Hemsbergschule. Sogar die anwesenden Mütter haben nichts zu meckern. "Wir sind hochzufrieden", bestätigt die Vorsitzende des Fördervereins, Claudia Göbel.
"Mütter und Väter müssen sich darauf verlassen können, dass sie ...
"Mütter und Väter müssen sich darauf verlassen können, dass sie unabhängig vom Wohnort ein qualitativ hochwertiges Betreuungsangebot für jedes Kind bekommen."
Nur zwei Dinge stören: Dass durch die zusätzlichen vier Wände im Schulhof Platz zum Toben und Spielen wegfällt. Und dass die dem Brandschutz geschuldeten Schließfedern an den Türen einen ständigen Gefahrenherd darstellen. Wer nicht aufpasst, läuft Gefahr, sich die Finger einzuklemmen. Landrat Engelhardt notiert sich das Manko. Ob es sich abstellen lässt, kann er nicht versprechen. Das müssen die Fachleute entscheiden.
"Bildung ist eines meiner wichtigsten Themen. Wir werden weiter ...
"Bildung ist eines meiner wichtigsten Themen. Wir werden weiter einen Schwerpunkt im Schulbau haben."
Neubaugebiete vergessen
Der Behördenchef ist für die große Linie zuständig. Wie sein Vorgänger kümmert er sich persönlich um den Zustand und die Ausstattung der Schulen. Der Schulentwicklungsplan, der kurz vor Engelhardts Amtsantritt im September 2015 verabschiedet wurde, gilt schon wieder als überholt. Bei den bisherigen Prognosen wurden vor allem die Neubaugebiete nicht ausreichend berücksichtigt - wie in Bensheim das ehemalige Euler-Gelände oder in Einhausen das Wachstum des Ortes. Als Zuzugsgemeinde gewinnt auch Lorsch seit Jahren gerade bei jungen Familien an Attraktivität.
Beim Dialogforum zum Start des vom Bensheimer Institut für Organisationskommunikaten (IFOK) und dieser Zeitung initiierten regionalen Bürgernetzwerks spielte dieser Aspekt denn auch eine wichtige Rolle. Eltern sorgen sich, dass ihre Kinder in Behelfsbauten untergebracht werden und die Nachmittagsbetreuung auch sonst nicht hält, was sie verspricht.
Der Landrat beruhigt, schließt aber nicht aus, dass weitere Schulcontainer herhalten müssen, um die Situation zu entkrampfen. Zum Normalfall soll dies nicht werden. Engelhardt verspricht: "Wir setzen Container als Zwischenlösung ein." Das ist nicht nur wirtschaftlich, weil mobile Bauten, wenn sie nicht mehr gebraucht werden, woanders zum Einsatz kommen können. Vor allem sind sie rasch bezugsfertig und schieben die Beseitigung von Engpässen nicht auf die lange Bank. Der Unterrichtsbetrieb kann wie gewohnt weiterlaufen. Die Vorteile, bestätigen Lehrer, Betreuer und Eltern, die damit schon Erfahrungen gemacht haben, überwiegen. Dass die - standardisierten - Räume nicht ganz so hoch sind wie ein konventionell gebauter Saal, fällt zwar auf, aber nicht gravierend ins Gewicht. Trotzdem:
Hat es im Landratsamt bei der Schulentwicklungsplanung an Weitblick gefehlt?
Landrat Engelhardt will es sich so einfach nicht machen. Schuldzuweisungen schaffen keine Probleme aus der Welt. Tatsache ist: Die Auswirkungen von Neubaugebieten auf die Schülerzahlen, vor allem an Grundschulen, wurden nicht berücksichtigt. Was das bedeutet, zeigen zwei Beispiele:
Hemsbergschule Bensheim: Prognostiziert waren für das abgelaufene Schuljahr 231 Schüler. Tatsächlich waren es aber 252. Konsequenz: Es wurden zwei Klassen mehr gebildet - und die Neubaugebiete sind nicht einmal bezogen.
Schlossbergschule Auerbach: Hier ergibt sich ein ähnliches Bild. Planzahl: 218. Tatsächlich waren es aber 246 Schüler.
Seit wann ist der Planungsfehler aktenkundig?
Auf die Thematik Neubaugebiete ist Landrat Engelhardt bei einem Vor-Ort-Termin in Einhausen aufmerksam geworden. Seitdem sind alle Rathäuser aufgefordert, an die tatsächliche Entwicklung angepasste Daten zu liefern. Dabei zeichnet sich ab, dass es auch Standorte mit Schülerzahlen geben wird, die unter den Prognosen liegen.
War unabhängig davon nicht absehbar, dass vielerorts räumlich nachgerüstet werden muss?
Ja, aber . . . Alles auf einmal geht nicht. Das durchaus ehrgeizige Jahresbudget für größere Sanierungen und Erweiterungsbauten liegt bei 16 Millionen Euro. Hinzu kommen weitere acht Millionen Euro für Instandhaltungen.
Alleine an der Karl-Kübel-Schule in Bensheim werden jedoch über die Jahre 35 Millionen Euro verbaut. Lediglich zehn Millionen davon sind bisher verausgabt. Weitere große Brocken sind das Schulzentrum in Lampertheim und die Schillerschule in Bürstadt. Weil immer mehrere Sanierungen gleichzeitig laufen, geht darüber hinaus in naher Zukunft so gut wie nichts mehr. Die Warteliste bleibt lang.
Wann ist die Wingertsbergschule in Lorsch an der Reihe?
Nicht in den nächsten drei Jahren. Bis dahin muss möglicherweise auf Container ausgewichen werden. Sie werden bisher vor allem für die Nachmittagsbetreuung eingesetzt.
Sind Container in Schulen unerwünscht?
Der Landrat behauptet das Gegenteil: "Meines Wissens sind sie beliebt, sobald sie tatsächlich im Einsatz sind." Der Begriff allein ist oft ein Reizwort. Es weckt erst einmal die Assoziation an ein "Containerschiff". Zwar sind die Module wie dort genormt. Aber in den Räumen selbst ist von einer Bauweise von der Stange nichts zu spüren.
Wie verbindlich ist der Pakt für den Nachmittag?
Wer mitmacht, hat einen Anspruch auf qualifizierte Betreuung bis 17 Uhr. Im Regierungsprogramm der Landratspartei CDU steht zudem ein Rechtsanspruch auf Grundschulbetreuung. Für Kinder unter drei Jahren ist ein passendes Angebot jetzt schon garantiert.
Worin besteht der Unterschied zwischen dem Konzept "Familienfreundlicher Kreis" und dem Pakt für den Nachmittag?
Bei Ersterem handelt es sich um ein reines Betreuungs-, beim "Pakt" um ein schulisches Angebot mit festen Qualitätsvorgaben. Anders als bei einer gebundenen Ganztagsschule findet aber nachmittags kein Unterricht statt. Obwohl der "Pakt" deutlich teurer ist, verfolgt der Landrat das Ziel einer flächendeckenden Einführung. Engelhardt ist vom "Pakt" überzeugt, "weil er Qualität und zuverlässige Betreuung bietet und auch in den Ferien weiterläuft".
Wer kommt als Betreiber des "Pakts" infrage?
Am liebsten sind dem Landrat die etablierten Betreiber, zum Beispiel die von Eltern getragenen Fördervereine. Aber auch die Erfahrungen mit externen Betreibern sind gut. In Bensheim will die Stadtverwaltung den "Pakt" organisieren. Gegen keine der drei Varianten gibt es aus Sicht des Landrats Einwände.
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