Weihnachtspredigt Anderen Religionen mit Respekt begegnen

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„Aus Protest vorzeitig den Gottesdienst verlassen“, BA vom 6. Januar

Die Verfasserin nimmt das Recht auf freie Meinungsäußerung in Anspruch und das ist in unserem Land auch in Ordnung, gleich wie man zu den Äußerungen stehen mag. Prinzipiell ist die Tatsache, dass sich die Verfasserin mit unseren Gepflogenheiten vertraut machen möchte und dazu als Muslima einen katholischen Gottesdienst besucht, natürlich absolut positiv zu bewerten. Angriffe auf Christen in Kirchen, in Flüchtlingsbooten oder Weihnachtsmärkten durch islamistische Fanatiker sind allerdings leider keine Erfindung, sondern Tatsache.

In einer katholischen Kirche für unterdrückte Christen zu beten, ist daher durchaus legitim – auch an Weihnachten. Wenn sich Muslime hier zu Unrecht wegen ihrer Glaubenszugehörigkeit in Generalverdacht genommen sehen, dann mag das bedauerlich sein, ist aber der Tatsache geschuldet, dass Angehörige muslimischen Glaubens im Namen ihrer Religion derzeit weltweit Verbrechen begehen.

Ich würde mir hierzu viel mehr Stellungnahmen wünschen, in denen dies durch die Vielzahl unbescholtener Muslime aufs Schärfste verurteilt wird. Den Ausführungen im Leserbrief ist nicht zu entnehmen, dass sich der Priester herablassend oder hetzerisch über Muslime ausgelassen hat. Was würde passieren, wenn ein Christ in einem islamischen Land in eine Moschee ginge und sich anschließend öffentlich herablassend über den dortigen Prediger in der örtlichen Presse auslässt?

Wie würde die Bevölkerung eines muslimisch geprägten Landes reagieren, wenn von jetzt auf nachher Hunderttausende von Christen im Land Asyl suchen würden, ihren Glauben durch den Neubau von Kirchen ausüben wollten, den Speiseplan in Schulen beeinflussen wollten, ein muslimisches Fest in der Grundschule absagen ließen und zeitgleich weltweit christlich motivierte Terroristen Moscheen anzünden und Muslime ermorden würden? Unter diesem Gesichtspunkt lässt es sich in unserem Land doch recht gut leben, oder?

Unterdrückung anderer Glaubensrichtungen ist nie gut – egal in welche Richtung. Die Autorin sollte beginnen, Dinge auch von der anderen Seite zu betrachten. Integration bedeutet nicht, dass der Gast bestimmt, wie es beim Gastgeber auszusehen hat – das ist auf der ganzen Welt so.

Ich kann mich nicht erinnern, dass es mit türkischen und kurdischen Mitbürgern in den vergangenen Jahrzehnten Probleme wegen der Glaubensrichtung gab. Ich kenne viele ausländische Mitbürger – Religion stand nie einem vernünftigen Miteinander im Weg. Das hat sich erst in den letzten Jahren durch die weltweiten Entwicklungen zum Schlechten verändert.

Friedliche Koexistenz ist möglich, wenn man dem anderen mit Respekt begegnet. Wir sind in Deutschland mehrheitlich nicht an einer Debatte über die Religionen interessiert, aber wir erwarten, dass unsere Kultur und unsere Werte – in denen sich die Kirche als Teil widerspiegelt– von denen respektiert werden, denen wir in Gastfreundschaft die Tür geöffnet haben. Dann ist die überwältigende Mehrheit auch bereit, Hilfsbedürftige zu unterstützen und Toleranz zu üben – ganz unabhängig davon, welcher Glaubensrichtung diese angehören. Dann klappt’s hoffentlich auch mit der friedlichen und befruchtenden Koexistenz.

Jürgen Stockmann

Bensheim