Liebfrauenschule Die AfD und das Abendland – eine verlogene Beziehung

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„AfD-Bitte an das Bistum“, BA vom 27. Oktober

Der Katholischen Kirche hierzulande geht es zurzeit gar nicht gut. Missbrauchsskandale haben ihr viel Vertrauensverlust beschert, finanzielle Nöte durch Mitgliederschwund bedingen unpopuläre Kürzungen, gute Kommunikation gelingt nicht immer – die Stimmung ist schlecht.

Dass nun auch die AfD das auszunutzen und sich bei Katholiken einzuschleimen versucht, haben sie aber nun wirklich nicht verdient. Nichts anderes nämlich versucht Rolf Kahnt in einer Pressemitteilung zum geplanten Trägerwechsel der Liebfrauenschule in Bensheim. Angeblich schätzt er „die Bindung der Schule an die Katholische Kirche“, da sie „christliche Werte vermittele die bedeutender Teil unserer abendländischen Kultur“ seien.

Wenn ich so etwas lese springen mir die Knöpfe vom Talar! Die Sorge der AfD um christliche Werte erinnert mich an die Sorge der Hexe bei „Hänsel und Gretel“, ob der Knabe schon genug zugenommen hat, um endlich gefressen zu werden.

Kirche nicht von innen gesehen

Ich bin es leid, mir seit Jahren von Menschen, die nicht wissen, wie die Kirche ihrer Heimatgemeinde von innen aussieht, etwas von christlichen Werten erzählen zu lassen. Wenn die „Abendland“ sagen, dann meinen sie in Wirklichkeit meistens: „Ich kann das Morgenland nicht leiden.“ Allzu oft träumen sie von einem Abendland in den Grenzen von 1717 als weiland Prinz Eugen der edle Ritter das Christenschwert so tapfer schwang, dass „zur Rechten man wie zur Linken, einen halben Türken vom Pferd heruntersinken“ sehen konnte.

Für solche Leute ist es kein Problem, sich christlich kultiviert und gutbürgerlich zu fühlen, derweil ihre Partei für eine Politik eintritt, die in letzter Konsequenz Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken lässt.

Papst Franziskus dagegen versteht unter Christentum etwas ganz anderes und die Liebfrauenschule in Bensheim tut viel dafür, genau diese Werte weiter zu geben. Darum erlebe ich als Protestant die gegenwärtige Krise der Katholischen Kirche mit-leidend, weiß ich doch auch um das sehr viele Gute, das katholisch geprägte Menschen für unser Zusammenleben leisten. Ich wünsche meinen Geschwistern von Herzen, dass sie die gegenwärtige Krise – wie schon viele vorher in ihrer langen Geschichte – gut bewältigen und erneuert und gestärkt daraus hervorgehen können.

Der AfD dagegen wünsche ich den gleichen Weg wie den „Republikanern“, nämlich den in die zahnlos knurrende Belanglosigkeit. Neben vielen anderen Gründen (historischen, politischen, ästhetischen) auch aus dem, weil sie die am stärksten kirchenfeindliche Partei in der aktuellen deutschen Politik ist.

Ihr billiger Trick ist es, sich an jede noch so beliebige Bewegung dran zu hängen, um Stimmen zu fangen. Euro, Flüchtlinge, Diesel, Gendersternchen, Corona-Auflagen – bei allem, was den Stammtisch in Wallung bringt, da ist sie – weil ohne Verantwortung – stets maximal sprüchebeutelnd zur Stelle.

Wenn ab morgen alle eine Glatze haben wollten, würde die AfD dafür eintreten, Kämme zu verbieten.

Hans-Joachim Greifenstein

Pfarrer im Ruhestand

Babenhausen

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