Atommüll Lagerung von Castoren wirft viele Fragen auf

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„Atommüll kehrt nach Biblis zurück“, Bergsträßer Anzeiger vom Montag, 17. Februar

Noch in diesem Frühjahr soll der Transport von sechs Castoren des Typs HAW28M mit verglastem Atommüll aus der englischen Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) Sellafield ins Zwischenlager für hoch radioaktiven Atommüll nach Biblis erfolgen. Nebenbei: „Wiederaufarbeitung“ – das klingt ein bisschen nach Recycling. Allerdings gibt es nach der „Wiederaufarbeitung“ infolge zahlreicher chemischer Prozesse mehr Atommüll als vorher. In Frankreich heißen WAA daher schlicht und realitätsnah „Usine Plutonium“, Plutoniumfabrik.

Zum Glück räumt der Artikel endlich mit den jahrelang von Politik und Atomwirtschaft kolportierten „völkerrechtlich bindenden Verträgen“ auf, die schon vor Jahren angeblich zur Rücknahme verpflichteten. Jetzt ist klar: Es sind schlicht privatrechtliche Verträge der Atomenergie nutzenden Unternehmen mit den „Wiederaufarbeitungs“-Firmen. Allerdings wusste der damalige Biblis-Kraftwerksleiter Kemmeter noch im April 2015: „Platz für Rücktransporte von Atommüll aus den Wiederaufarbeitungsanlagen La Hague... und Sellafield ... sei nicht vorhanden.“ (BA vom 11. April 2015). Ein Jahr zuvor hielt der hessische Ministerpräsident Bouffier es laut „Frankfurter Rundschau“ vom 6. Januar 2014 für „...nicht zielführend, Castor-Transporte aus dem britischen Sellafield, die wir mit Tausenden Polizeibeamten absichern müssen, von der Küste aus Hunderte von Kilometern durchs Land zu schicken.“

Mit „Entsorgungsvorsorge“, einem Begriff, der in den späten 1970ern Jahren von den Atomkraftbefürwortern geprägt wurde, als die Abklingbecken und die seinerzeit vorhandenen Zwischenlager immer voller wurden und auch die „Wiederaufarbeitung“ mit einschloss, hat das alles nichts zu tun.

Die längerfristige Lagerung der Castoren HAW28M mit hoch radioaktivem Atommüll in Glaskokillen wirft zahlreiche Fragen auf: Nach den Prognosen der Endlagerkommission des Bundestages vom Sommer 2016 wird eine Entscheidung über einen möglichen Endlager-Standort frühestens 2058 fallen (das Zwischenlager in Biblis hat eine Betriebsgenehmigung bis 2046), die Einlagerung ins Endlager kann, so die Prognose, ab dem Jahr 2117 erfolgen. Aus meiner Sicht ist deshalb dringend ein neues Sicherheitskonzept für das Zwischenlager unter Beteiligung der Öffentlichkeit erforderlich.

Nach meinen Informationen beträgt die bisher längste Lagerdauer von Castoren HAW28M gut neun Jahre. Im November 2010 wurden entsprechende Behälter im Transportbehälterlager Gorleben erstmals eingelagert. Unabhängigen Gutachtern zufolge setzt das Lager seit einigen Jahren in erheblichem Umfang Radioaktivität frei. Das lässt auf Alterungsprozesse bei Glaskokillen und/oder den Dichtungssystemen der Lagerbehälter schließen.

Rainer Scheffler

Lautertal