Demonstration Stadt sollte bei Eskalationsspirale nicht mitmachen

Lesedauer
Am Sonntag demonstrierten 500 Bürger am Storchennest. © Funck

„500 Bensheimer stehen auf gegen Rechts“, BA vom 16. Oktober

Die „Kämpfer gegen Rechts“ merken nicht mehr, wenn sie gesunde Grenzen überschreiten und damit selbst zu dem Problem werden, das sie bei anderen – heute meist die AfD – bekämpfen wollen. Am Sonntag gab es in Bensheim eine Kundgebung gegen Rechtspopulismus, die auf Facebook unter der Verantwortung der Stadt Bensheim mit dem Bild des Bürgermeisters („Rolf Richter nimmt teil“) beworben wurde.

Nun ist es so in einer Demokratie, dass es erlaubt ist Rechtspopulisten nicht gut zu finden und das auch im großen Rahmen zu äußern. Aber ist ein Bürgermeister nicht Bürgermeister aller Bürger, also genauso dann für Linkspopulisten wie auch für Rechtspopulisten, die nach meiner Kenntnis mit ihrer politischen Ausrichtung weder den Boden des Grundgesetzes noch unserer demokratischen Ordnung verlassen haben?

Und das kurz vor der Landtagswahl

Was ist das für eine Demokratie, wenn Rechts oder Links oder dann bald auch alles, was von der gerade vorherrschenden politischen Ideologie abweicht, mit staatlicher Hilfe bekämpft wird? Ist es überhaupt grundsätzlich in Ordnung, dass eine Veranstaltung, die sich so klar gegen die AfD richtet, unter dem Banner der Stadt Bensheim beworben wird (sponsored Ad) – und das auch noch kurz vor der Landtagswahl?

Aber es gab doch ein Säureattentat und zwei Drohbriefe wegen eines Anti-AfD-Plakats (ich habe schon viele rechtsextreme böse Kommentare wegen des Friedensmals erhalten und kann mitfühlen).

Stinkbombe statt Säure-Attentat

Die Hessenschau titelte: „Nach Säure-Attentat: Bensheim wehrt sich mit Kundgebung gegen Rechtspopulismus.“ Doch wer sagt, dass Rechtspopulisten für das Versprühen von Buttersäure – also kein „Säure-Attentat“, sondern eine „Stinkbombe“ – verantwortlich sind? Waren das nicht dann doch bereits Rechtsextreme? Bei einem Säure-Attentat würde wohl jedes Gericht hier die Grenze ziehen.

Warum nennt man es dann nicht beim richtigen Namen? Nach der AfD-Veranstaltung mit Beatrice von Storch in Auerbach wurden übrigens Teilnehmer von jungen Männern der Gegendemo mit „Jetzt ist die Polizei nicht mehr da“ (die euch schützt) angesprochen. Darf man dafür nun alle Demonstranten gegen die AfD verantwortlich machen? Nein, natürlich nicht.

In Zeiten einer immer weiter fortschreitenden Spaltung der Gesellschaft öffnen sich die Räume, wo dann solche Sachen stattfinden: Bedrohungen von Besuchern von politischen Veranstaltungen der Gegner, Drohbriefe und Buttersäureanschläge. Wir stehen erst am Anfang dieser bösen Entwicklung.

Parteipolitik beiseite lassen

Ich würde von einer Stadt erwarten, nicht bei einer Eskalationsspirale mitzumachen. Warum nennt man in Zukunft so eine Veranstaltung, an der die Stadt Bensheim und der Bürgermeister beteiligt sind, nicht: „Gesicht gegen Rechtsextremismus zeigen“, oder aber noch besser: „Bensheim zeigt Gesicht gegen Extremismus“, ganz ohne parteipolitische Agenda? Da macht dann „Herz statt Hass“ sehr viel Sinn.

Thomas Zieringer

Bensheim

Info: Leserbrief-Richtlinien online: www.bergstraesser-anzeiger.de/leserforum

Mehr zum Thema

Kommentar Die AfD wandert in die rechte Nische

Veröffentlicht
Kommentar von
Christian Unger
Mehr erfahren