Rassismus-Eklat Tönnies’ Vorschläge sind zynisch und „unterkomplex“

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„Gut, dass Tönnies das Thema angestoßen hat“, BA-Leserforum vom Mittwoch, 7. August

Mit Befremden habe ich den Leserbrief zum Rassismus-Eklat um Tönnies gelesen: Herrn Tönnies wird zugebilligt, dass seine „in der Form kritikwürdige“ Äußerung sozusagen als Kollateralnutzen eine notwendige und richtige Diskussion angestoßen habe. Bevor man das akzeptiert, muss man genauer hinsehen, was Herr Tönnies gesagt hat. Er hat in der Tat zwei drängende Probleme erwähnt, nämlich die Vernichtung des tropischen Regenwaldes („sie hören auf, Bäume zu fällen“) und die Bevölkerungsprognosen für weite Teile Afrikas („sie hören auf, Kinder zu produzieren“). Diese Probleme sollen durch den Bau von 20 Kraftwerken in Afrika gelöst werden.

Ein wichtiges Klimaproblem

Die Vernichtung des Regenwaldes ist in der Tat ein wichtiges Klimaproblem. Ihr Grund ist einerseits der Nachfragedruck aus den entwickelten Staaten, zum andern die Tatsache, dass der Verkauf eine wichtige Einnahmequelle für arme Staaten ist. Politische Maßnahmen zur Nachfragedrosselung gibt es in unserem Land, die Frage nach alternativen Einnahmequellen bleibt schwierig.

Wie der Bau von Kraftwerken in den betreffenden Ländern das Problem lösen soll, kann man sich kaum vorstellen. Die Rahmenbedingungen sind nicht so, dass etwa durch den Verkauf des erzeugten Stroms entgangene Exporteinnahmen aus dem Verkauf von Holz kompensiert werden könnten.

Der Vorschlag liegt also neben der Sache. „Unterkomplex“ hat ihn ein Regierungssprecher genannt, umgangssprachlich würde man eher sagen: „dumm“.

Dezentrale Lösungen sind gefragt

Ein weiteres Umweltproblem beruht auf der Tatsache, dass in weiten trockenen ländlichen Bereichen Holz die einzige Energiequelle ist. Das führt zu einer Übernutzung der Holzvegetation – mit desaströsen Folgen für die Böden. Auch dieses Problem lässt sich nicht mit Strom aus fernen Großkraftwerken lösen. Es muss dezentral angegangen werden. Wenige Solarpanels genügen für ein Dorf.

Das Problem des Bevölkerungswachstums soll dadurch einer Lösung nähergebracht werden, dass es das Reproduktionsverhalten negativ beeinflusst, wenn es abends in den Häusern dank elektrischen Stroms hell ist. Das ist unsinnig und geht unter die Gürtellinie. Es ist in der Tat rassistisch. Das Bevölkerungswachstum ist ein schwieriges soziales und wirtschaftliches Problem vieler Länder Afrikas, um das sich zahlreiche Organisationen (private, staatliche und internationale) bemühen. Deren schwierige und zum Teil kontroverse Anstrengungen werden durch einen rassistischen und albernen Vorschlag wie den von Herrn Tönnies nur in Mitleidenschaft gezogen.

Problembewusstsein fehlt

Zudem: An Projekten für Kraftwerksbau in Afrika fehlt es nicht. Es sind meist Großprojekte zur Stromerzeugung durch Wasserkraft. Deren ökologische und soziale Kosten und Nutzen sind höchst streitig. Solche Projekte vernichten zunächst einmal Natur. Bevor man mehr große Kraftwerke in Afrika fordert, an denen sich europäische oder amerikanische Unternehmen eine goldene Nase verdienen, wenn der Auftrag nicht nach China geht, muss man auch darüber nachdenken. Aber solches Problembewusstsein fehlt Herrn Tönnies offenbar.

Sorge um eigenes Einkommen

Warum macht Herr Tönnies solche zweifelhaften Vorschläge? Er fürchtet, dass die Debatte um die Umweltprobleme der Viehwirtschaft, durch die er sein erhebliches Einkommen bezieht, geschäftsschädigend ist. Statt sich als verantwortungsbewusster Unternehmer dieser Diskussion zu stellen, will er das Problem nach Afrika verlagern, um seinen eigenen Gewinn nicht zu gefährden. Das ist zynisch.

Nein, die Äußerungen von Herrn Tönnies leisten in keiner Weise einen Beitrag zur Lösung des Klimaproblems und der Probleme Afrikas. Wollte er wirklich einen solchen Beitrag leisten, könnte er einen seinem Einkommen entsprechenden namhaften Betrag an eine Organisation spenden, die daran wirklich und ernsthaft arbeitet, etwa der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung.

Prof. Michael Bothe

Bensheim

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