Umwelt Was noch wichtiger ist als die Pandemie

Lesedauer

Es ist gut, dass in einer Zeit, in der öffentliche Veranstaltungen extrem eingeschränkt sind, andere Möglichkeiten des Austauschs verstärkt genutzt werden. So ist im Zuge des Lockdowns gegenwärtig Unterricht so weitgehend ins Netz verlagert worden, dass die dafür geschaffenen Plattformen zum Teil schon überlastet sind. Zum Glück gibt es aber auch die Heimatzeitungen mit ihren Leserbriefspalten.

Gerade jetzt, wo in Bensheim eine neue Bürgermeisterin im Amt ist, ist es gut, wenn viele Bensheimer Themen diskutiert werden – wie etwa die Frage, wie man neuen bezahlbaren Wohnraum schaffen kann, ohne weitere Flächen zu versiegeln.

Eine Frage, die schon für uns, besonders aber für die kommenden Generationen, weit wichtiger ist als all diese kommunalpolitischen Fragen, ja selbst als die Corona-Pandemie, ist die weltweite Klimaerwärmung.

Da droht in unserer Nachbarschaft eine Fehlentscheidung von ungeheurem Ausmaß, die an Bedeutung selbst die Maßnahmen zum Schutz vor der Coronapandemie übertrifft. 6,2 Hektar Schutzwald sollen bei Sonderbach gefällt werden. Ganz unabhängig von der Frage, ob so viel Wald für einen Steinbruch geopfert werden sollte, ist das Erschreckende, dass dies „auf Vorrat“ geschehen soll, um die drohende Schließung eines Steinbruchs zu verhindern.

Es wird Jahrzehnte dauern

Bis der vermehrte CO2-Ausstoß und das Potenzial, COs zu binden, durch Neuanpflanzugen ausgeglichen werden kann, wird es Jahrzehnte dauern – gerade die Jahrzehnte, in denen die Entscheidung fällt, ob das 1,5-Grad-Ziel der Pariser Konferenz eingehalten werden kann oder nicht. Ja selbst ein 2-Grad-Ziel würde durch eine solche Entscheidung illusorisch.

Kein Echo auf Mahnruf

Selbst wenn diese Ziele erreicht werden sollten, wird es zu Veränderungen kommen, gegenüber denen die gegenwärtigen Trockenperioden im Sommer als völlig harmlos erschienen. Bei einer Verfehlung des 2-Grad-Ziels ginge es um das Überleben von Hunderten von Millionen von Menschen, vom jetzt schon katastrophalen Artensterben bei Tieren und Pflanzen ganz zu schweigen.

Selbst wenn die Fällung des Waldes nur so lange aufgehalten würde, bis wenigstens die Hälfte seines Potenzials an CO2-Bindung ausgeglichen würde, wäre das wichtiger als der Ersatz aller Steingärten im ganzen Kreis Bergstraße. Doch der Mahnruf der Bürgerinitiative, der am 21. Dezember im Bergsträßer Anzeiger zu lesen war, hat kein vernehmbares Echo gefunden.

Ich selbst muss mir vorwerfen, dass ich meinen damaligen Leserbriefentwurf wegen Weihnachtsvorbereitungen und Weihnachtsfeierlichkeiten nicht vollendet habe. Gegenwärtig gehen Tausende von Arbeitsplätzen wegen der Corona-Regelungen verloren, obwohl Hunderte von Milliarden Euro zur Rettung von Betrieben bereit stehen. Und jetzt sollen auf Vorrat 6,2 Hektar Schutzwald gefällt werden, um – ich weiß nicht wie viele genau, aber gewiss unter hundert – Arbeitsplätze zu sichern.

Wenn es ein Schildbürgerstreich wäre, wäre es schön. Aber es ist ein Beitrag zu einer Katastrophe für alle kommenden Generationen dieses Jahrhunderts.

Walter Böhme

Bensheim

Leserbrief-Richtlinien online: www.bergstraesser-anzeiger.de/leserforum

Mehr zum Thema

ZEW-Studie Immer weniger Routinearbeit

Veröffentlicht
Mehr erfahren