Klimawandel Wir wollen es nicht wahrhaben

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Früher hat man nicht selten den Überbringer einer unangenehmen Botschaft getötet. Heute, im Zeitalter des Internets, sind wir humaner und sagen einfach mit Trump „Fake News“. Im Fall des menschengemachten Klimawandels ist das freilich nicht ganz so leicht. Wenn seit Jahrzehnten über 90 Prozent der Wissenschaftler über die Grunddiagnose einig sind und wenn inzwischen nach jahrzehntelangen Verhandlungen auch die Politiker 2015 auf einer Weltklimakonferenz konkrete Beschlüsse zu seiner Eindämmung gefasst haben. Der Klimawandel lässt sich nicht mehr ernsthaft bestreiten.

Warum wir einfach weitermachen

Wieso aber gelingt es uns, weiterzumachen, als gäbe es ihn nicht? Zwei Gründe gibt es. Erstens: Wenn wir den Klimawandel jetzt noch eindämmen wollen, müssen wir unsere Lebensweise radikal umstellen. Und wer will das schon? Zweitens: Die anderen leben ja auch weiter, als ob es ihn nicht gäbe. Das macht es viel leichter, den eigenen Augen nicht zu trauen. Wenn ich nichts verändere, macht das sowieso keinen wesentlichen Unterschied. Also brauche ich es nicht zu tun.

Etwas Weiteres kommt hinzu: Ständig gibt es neue Nachrichten über Missstände auf der Welt, über die wir uns aufregen können: Wir diskutieren über Trump, Putin, Erdogan, Böhmermann, über die AfD, Seehofer und Merkel, Scheuer, Stuttgart 21, den Berliner Flughafen, das Bensheimer Bürgerhaus und das Haus am Markt, über Kevin Kühnert ... Es nimmt kein Ende. Das macht es leichter, nicht an den Klimawandel zu denken.

Am 26. Mai sind wir alle gefragt

Jetzt gibt es freilich Schüler, die nicht mehr mitmachen wollen, die ein Recht auf Zukunft fordern. Das schreckt auf. Aber nun setzt eine allgemein menschliche Reaktion ein: „Jetzt gibt es endlich jemanden, der sich um den Missstand kümmert. Ein Glück! Jetzt brauche ich es ja nicht mehr.“ Lasst es Greta und die anderen Schülerinnen und Schüler mal machen! Jetzt bin ich ja nicht mehr gefragt. Jetzt kann ich wieder so tun, als ob alles in Ordnung wäre.

Nur ist da der 26. Mai. Wir alle sind gefragt, wie es in Europa weiter gehen soll. Als Demokraten haben wir sogar nicht nur ein Recht, sondern deshalb auch eine Pflicht, uns darum zu kümmern. Da hilft es nun nicht, sich zu sagen: „Hauptsache, ich wähle nicht diese eine böse Partei.“ Jetzt gilt es zu fragen: Wer setzt sich für die Zukunft der kommenden Generationen ein und will wirklich ernsthaft den Klimawandel nach Kräften eindämmen? Es sind nicht viele, aber die verdienen unsere Stimme.

Walter Böhme

Bensheim

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