Leserbrief - Zu den beiden Artikeln „Spaziergänger geraten in Treibjagd und sind entsetzt“ und „In diese Richtung darf dann nicht geschossen werden“

„Muss denn erst ein Mensch verletzt werden oder gar sterben?“

Von 
Steffen Hammer
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Es mag juristisch korrekt sein, dass keine Absperrmaßnahmen bei Treibjagden vorgeschrieben sind. An dieser Stelle muss aber die Frage gestellt werden, ist automatisch alles richtig und legitim ist, was nicht ausdrücklich verboten ist?

Warum gibt es Schilder mit der Aufschrift „Treibjagd – Achtung Lebensgefahr“, wenn es doch seitens der Forstverwaltung als absolut ungefährlich dargestellt wird? Warum tragen die Jäger Signalkleidung, wenn doch nur in den Boden geschossen wird, damit keine Gefahr besteht? Fußgänger tragen diese in der Regel nicht, und sind im Unterschied zu den Jägern an keinen festen Positionen aufgestellt. Fußgänger bewegen sich und ändern plötzlich die Richtung, wenn Sie erschreckt oder verängstigt sind. Das erweckt beim Jagenden unter Umständen den Eindruck, der Fußgänger wäre weitergelaufen, dabei kommt dieser zurück. Da der Wald bekanntlich voller Bäume steht, ist es doch eine Farce zu behaupten, man könne dabei nicht in Gefahr kommen.

In der einen Sekunde ist man noch von einem Baum verdeckt, in der nächsten steht man mitten im Schussfeld. Das ist lächerlich!

An dieser Stelle eine Anekdote von meiner Großmutter. Es muss Ende der 1960er Jahre gewesen sein. Auf dem Gebiet des Geinhart fand damals eine Treibjagd statt. Meine Großmutter befand sich damals an ihrem Wohnhaus in der Tauberstraße in Edelfingen, als eine Kugel knapp ihren Kopf verfehlte und neben ihr (in den Boden) einschlug.

Die Aussage, es ist ungefährlich, oder es passiert nichts, ist einfach falsch! Einzig, dass der Kugelfang der Boden war, ist wohl korrekt.

Solange es aber die Gravitation der Erde gibt, wird das vermutlich auch so bleiben, denn sowohl die Kugeln werden angezogen, als auch die Schweine. . .

Überhaupt ist die Aussage des Landwirtschaftsministeriums eine Frechheit: „Keine Unfälle in der jüngsten Vergangenheit = keine Änderungen der Vorschriften“. Mit anderen Worten: Es muss erst ein Mensch verletzt werden oder sterben, damit man diese Regelungen überdenkt?!

Was stellt es denn für einen Aufwand dar, zumindest die großen Waldwege abzusperren. Auf einem solchen waren wir am vergangenen Samstag – und sind auch die meisten anderen – unterwegs. Und von diesen großen Wegen zweigen im Wald dann erst die kleinen Pfade ab.

Dass man das ganze Gebiet nicht einzäunen kann, ist klar, aber die Wege dahin sollten machbar sein, zumal die Jäger bis zum letzten Meter mit den Autos in den Wald fahren, im Nachhinein ist uns bewusst geworden, dass recht viele Autos in Wald, Feld und Flur standen. Wenn jeder einfach neben seinem Auto ein Schild an den Weg stellt, ist viel gewonnen.

Und wenn das schon nicht klappt, dann erwarte ich zumindest einen Zuruf von einem der Jäger die offenbar um das bejagte Revier stehen. Was ist denn da dabei?

Die Ausrede, „wenn man absperrt, halten sich oftmals die Menschen nicht daran“, ist einfach nur dumm und ausweichend. Wenn man immer nach diesem Prinzip handeln würde, dann könnten wir gleich alle Gesetze und Regelungen abschaffen, denn manche Menschen halten sich nicht daran, manchmal auch mit gutem Grund. Im Übrigen geht das Ministerium nur auf die Gefahr durch Kugeln ein. Was ist mit den aufgeschreckten oder gar verletzten Wildschweinen, die in Panik und unkontrollierbar durch den Wald rennen? Halten die sich auch daran, auf die Passanten zu achten? In meinen Augen wird hier zu kurz und einfach nur dumm gedacht.

Meine Anzeige bei der Polizei am vergangenen Wochenende habe ich in Kopie auch dem Forstamt des Landkreises, dem Landratsamt und den Fränkischen Nachrichten geschickt. Reagiert haben nur die Polizei und die FN-Redaktion. Das Staatliche Forstamt war sich bislang zu fein, sich bei mir persönlich zu entschuldigen. Allein diese Tatsache sagt einiges über den Charakter dieser Menschen aus. Wobei – vermutlich muss ich froh sein, wenn ich lese, dass andere „patzige und freche Antworten“ schon bekommen haben. Man hofft nur, dass es nicht erst Opfer braucht, bis hier etwas getan wird.

Anmerken möchte ich noch, dass nachträgliche Absperrungen – nach meinem Anruf bei der Polizei am vergangenen Samstag – von mir nicht bemerkt wurden. Wir haben das Gebiet kurz vor 12 Uhr verlassen. Da waren keine Absperrungen an dem betroffenen Weg! Ich habe sogar ein Foto gemacht. Um ca. halb eins waren wir wieder in Edelfingen, als ein Auto mit drei Jägern an uns vorbeifuhr. Auf dem Träger auf der Anhängerkupplung lag eine tote Sau. Die Jagd war demnach kurz nach 12 Uhr beendet.

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