Venedig, November 2010

Venedig - Stadt mit nassen FüßenLeserreise vom 7.11. bis 11.11.2010

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Ingrid Lindemann

"Es gibt zwei Arten von Städten: alle anderen und Venedig" notierte Henry James. Tatsächlich ist Venedig einzigartig. Festmachen kann man dies u.a. an den Geräuschen der Nacht. Volltönend schlägt die Glocke des Campanile von San Marco Mitternacht, danach herrscht lautlose Stille. Ab 4 Uhr morgens jedoch beginnt auf den Kanälen und Gassen der tägliche, geräuschvolle Versorgungs- und Entsorgungsmarathon der Stadt.

90% aller Gebäude in Venedig sind historisch. Dabei gilt ein Palazzo aus dem 18. oder 19. Jahrhundert den Venezianern als modern und unbedeutend - sehr zum Amüsement von uns Besuchern. Es gibt keine Autos oder Mopeds in Venedig. Der ganze Warentransport erfolgt über Wasser, die letzte Strecke durch die Gassen wird mit Sackkarren und Schubwagen zurückgelegt. Auch Feuerwehr, Polizei, Ambulanz, Müllabfuhr funktionieren so. Und der Besucher sieht am besten zu, nicht in die Quere zu kommen. Der Canal Grande ist dabei sozusagen die Hauptstraße der Stadt, der Bootsverkehr insbesondere zur Rush-Hour ist unbeschreiblich. Und dabei agieren die Bootsführer wie neapolitanische Autofahrer - nichts passiert!

Die Teilnehmer unserer Leserreise legten die letzte Anreisestrecke von Flugplatz zum Hotel im Herzen der Stadt - zwischen Rialto und Markusplatz - ganz venezianisch zurück. Mit Wassertaxis ging es über die Lagune zur Rialtobrücke und von dort in wenigen Minuten per Fuß zum Hotel. Ein erster, faszinierender Eindruck einer wunderbaren, einzigartigen Stadt. Am Abend dann ein erster Spaziergang zum Markusplatz - Venedigs Machtzentrum und Festsaal. Verzaubert und festlich beleuchtet lag der Platz da in seiner unbeschreiblichen Eleganz und Geschlossenheit, fast menschenleer - und macht einen nahezu sprachlos.

Am nächsten Morgen dann ein völlig anderes Bild. Menschenschlangen vor der Kathedrale, vor allem aber Aqua Alta - Hochwasser. Auch die nächsten Tage sollte das Hochwasser die Reiseteilnehmer begleiten, bevor es jeden Nachmittag wie durch Zauberhand wieder verschwand und nichts an das Phänomen erinnerte. Venedig einmal ganz anders und Anlass für viel Gesprächsstoff. Man muss es unbedingt mal erlebt haben!

Aqua Alta entsteht durch ein Zusammenspiel von Flut, Tiefdruck und Adriawinden und wird vom Mond beeinflusst. Selbst Venezianern erscheint aber offensichtlich die Vorhersage von Aqua Alta schwierig, jedenfalls waren die Vorhersagen immer zu optimistisch. Und als erstes ist immer der Markusplatz betroffen. Gummistiefel sind ein immerwährender Verkaufsschlager in Venedig!


Teil 2


Die atemberaubende Basilika San Marco in byzantinischem Stil ist nicht nur ein Gotteshaus sondern auch Ausdruck von sehr weltlichem, venezianischen Selbstbewusstsein. Denn die Gebeine des Evangelisten Sankt Markus, auf dubiose Weise in Alexandria gekauft oder gar geraubt und nach Venedig geschmuggelt , wurden nicht etwa in der damaligen Bischofskirche sondern in der Kirche der Dogen bestattet. Die Kirche ist mit über 4000 qm Goldmosaiken ausgekleidet, während der Fussboden aus Marmormosaiken besteht und ob des schwankenden Untergrunds ganz wellig ist. Unzählige Kunstwerke schmücken die Basilika, darunter auch die Pferde auf der Loggia, einem Balkon über der Piazza. Heute stehen dort Kopien, die wunderbaren, antiken Originale haben die Reiseteilnehmer im Museum bestaunt.

Neben San Marco der Dogenpalast, Privatwohnung der gewählten Dogen, zugleich Regierungssitz, aber auch Gefängnis. Unvergleichlich die Lage mit einer Schaufassade zum Markusplatz und einer zur Meerseite. Beeindrucken sollte der Palast, von außen wie von innen. Und das tut er heute noch. Prunkvolle Räume reihen sich einer an den anderen und drücken den Stolz und den Machtanspruch der Serenissima aus. Besonders großartig die goldene Treppe und die Sala del Maggior Consiglio, der große Ratssaal, dessen riesige Decke nur mit Hilfe der Schiffsbaumeister des Arsenale konstruiert werden konnte.

Am nächsten Tag dann stand ein wunderschöner Spaziergang durch das Venedig abseits der Touristenpfade an: durch die Sestieri San Marco und vor allem Dorsoduro. Durch enge Gassen, über Brücken, Kanäle und Campi (Plätze) gings zur Akademiabrücke, die den Canal Grande überspannt. Herrliche Ausblicke auf die Palazzi am Canal, den lebhaften Schiffsverkehr auf der Wasserstraße und auf Santa Maria della Salute boten sich den Leserreisenden, ein Schauspiel der ganz besonderen Art. Dann im Sestiere Dorsoduro Einblicke ins Leben der Venezianer: Geschäfte für den täglichen Bedarf, der Gemüseverkäufer auf einem Boot, Antiquitätenläden, Werkstätten, Warentransport zu Fuß und per Karren. Manchmal auch Szenen mit dem morbiden Charme des Zerfalls - und doch glaubt man nie, dass nicht doch ein Prinz die Prinzessin wieder wachküssen könnte. Bezauberndes Venedig abseits der Touristenpfade!

In einer kleinen Gasse, die zum Canal Grande führt, ist der bescheidene Eingang zum Palazzo Nani Bernado. Die weitaus repräsentativere Tür führt zum Canal und ist der Ankunft per Gondel oder Boot vorbehalten. Im Piano Nobile des Palastes aus dem 16. Jahrhundert konnten sich die Reiseteilnehmer das Leben der Patrizierfamilie in vergangenen Jahrhunderten vorstellen. Prächtig und doch gemütlich, mit einem wunderbaren Balkon zum Canal Grande. Und hinter dem Palazzo ein entzückender Garten, den man weder von Wasser- noch von der Landseite erkennen kann.

Zum Kontrast dann die Besichtigung einer der letzten noch arbeitenden Gondelwerften am Rio San Trovaso. Ein Handwerksbetrieb im wahrsten Sinne des Wortes, in dem Gondeln traditionell repariert, gewartet oder neu gebaut werden und der Meister den Reiseteilnehmern stolz seine Handwerkskunst erläuterte und die vielen interessierten Fragen beantwortete.


Teil 3


Der muntere, mit kleinen Restaurants, Cafes, Weinbars, Buchläden und Marktständen bestückte Compo Santa Margharita ist das bezaubernde Herz des Sestiere. Hier findet venezianisches Alltagsleben statt, Touristen sind nur Zaungäste. Der schöne Stadtspaziergang endete hier und die Leserreisenden suchten sich in einer gemütlichen Trattoria ein Plätzchen unter Venezianern zum Mittagessen.

Keine Vendigaufenthalt ohne einen Besuch der Inseln der Lagune. Murano ist die Insel der Glasmacher, von hier kam Jahrhunderte das kostbarste und teuerste Glas der Welt. Im 18. Jahrhundert verlor Murano dann durch den Niedergang der Republik seine Vormachtstellung. Heute arbeiten noch ca. 50 Betriebe und fertigen von wunderbaren Kunstwerken in höchster Qualität bis zu Kitsch alles. Einige Manufakturen können besichtigt werden, hier kann man die schweißtreibende Arbeit der Glasbläser bewundern. So auch unsere Reisegruppe, die fasziniert zusah, wie feinste MilleFiori-Vasen entstanden.

Wie auch schon Murano bezaubert Burano, die Insel der Spitzenklöpplerinnen und Fischer, durch kleine, bunte Häuser und ein ganz besonderes Flair. Venedig scheint weit entfernt und liegt doch in Sichtweite über der Lagune.

Und zum Abschluss einer stimmungsvollen, schönen Städtereise darf dann auch ein Bummel durch die Mercerie, die Ladengassen hinter dem Markusplatz, nicht fehlen. Hier setzt Venedig auf moderne Weise seine ruhmreiche Handelstradition fort. Die schiere Vielfalt des Warenangebots in diesem bazarähnlichen Viertel ist überwältigend, auch für shoppingerfahrene Großstädter. Taschen, Handschuhe, marmoriertes Papier, Glas, Masken, Schmuck, Antiquitäten, Kunst, Mode?. Herz, was begehrst Du mehr. Eigentlich nur einen erneuten Besuch in nächsten Jahr!

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