Leserbrief - Zu „Verfahren gegen Veterinäre eingestellt“ (FN, 14. Mai)

„Ist Position der Amtsveterinäre nur Alibi-Funktion?“

Von 
Elisabeth Döringer, Christina Holler
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Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen?

Im Januar 2018 wurden durch Aktivisten einer Tierschutzorganisation gravierende Missstände im Schlachthof Tauberbischofsheim aufgedeckt. Besonders schockierend war, dass diese Verstöße gegen das Tierschutzgesetz in Anwesenheit von Vertretern des Veterinäramts abliefen.

Obwohl diese Amtstierärzte nach § 16a Tierschutzgesetz in Verbindung mit Artikel 20a GG und § 1 TierSchG verpflichtet sind, für das Wohl der Tiere einzutreten und ihnen unnötiges Leid zu ersparen, blieben sie untätig.

Als Folge wurde der Schlachthof im Februar 2018 geschlossen und das Amtsgericht erließ Strafbefehle gegen den Betreiber, die Mitarbeiter und die verantwortlichen Veterinäre.

Die Mitarbeiter des Schlachthofs wurden zu Geldstrafen verurteilt, gegen den Betreiber wird noch ermittelt. Am 1. April 2020 stellte die Staatsanwaltschaft Mosbach das Verfahren gegen die drei Tierärzte ein.

Die Begründung für diese Entscheidung erscheint selbst Rechtsexperten unverständlich und skandalös. Man könne die Veterinäre nämlich nicht belangen, weil sie ohnehin nicht in der Lage wären, solches Tierleid im Schlachthof zu stoppen. Ihnen fehle die Möglichkeit der Polizei, direkt einzugreifen. Die Verstöße gegen das Tierschutzgesetz hätten sie nicht verhindern können. „Aus diesem Grund kann man die Veterinäre strafrechtlich nicht zur Verantwortung ziehen“ (Zitat Skandalentscheidung der Staatsanwaltschaft). Tatsächlich gibt es aber genügend Maßnahmen um einzuschreiten.

Für uns als Tierschutzverein stellt sich nun die Frage, worin der Sinn einer Überwachung in Schlachthäusern liegt, wenn Tierquälereien nicht abgestellt werden können.

Hat die Position der Amtsveterinäre nur eine Alibi-Funktion?

Hat die Fleischindustrie soviel Einfluss auf die Rechtsprechung, dass bestehende Gesetze gewissenlos umgangen werden?

Ist es einfacher, solche Entscheidungen bei der Staatsanwaltschaft zu treffen, weil es „nur“um Tiere geht, die sich juristisch nicht wehren können?

Die Forderungen des Landestierschutzverbands Baden-Württemberg, Akkordschlachtungen abzuschaffen, mehr Tierschutzkontrollen an Schlachthöfen zu veranlassen, mehr unabhängige Amtstierärzte für die Überwachung in Schlachthöfen einzustellen, oder zumindest standardmäßig Videoaufzeichnungen einzuführen, scheiterten bisher auf Landes- und Bundesebene. Jeder Mitmensch hat aber die Möglichkeit, mit seinem Einkaufs- und Essverhalten die Lage der Tiere zu verbessern und Einfluss auf die Missstände in Schlachthäusern zu nehmen. Er kann ganz einfach seinen Beitrag zum Tier- und Menschenschutz leisten, indem er weniger tierische Produkte kauft und dabei auf höhere Qualität und die Herkunft achtet. Doch solange in Discountern Billigfleisch und Wurst aus Massentierhaltung gekauft wird, ändert sich nichts.

In der Wirtschaft geht es knallhart nur um den Profit. Es wird nur das gemacht, was auf Dauer profitabel ist, womit man Geld verdienen kann. Und die Schwachen bleiben auf der Strecke.

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