Leserbrief - Zur aktuellen Situation der Kinderbetreuungsmöglichkeiten in der Region

„Landesregierung legt mit Verordnung einen Fehlstart hin“

Von 
Martin Vierneisel
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Auf allen Kanälen ist aktuell von Lockerungen der vielen Einschränkungen rund um Corona zu lesen. Länder und Kommunen überschlagen sich gerade mit Vorstößen. Auch in den FN ist Freude angesagt, wenn man zum Beispiel die Kolumne „Leuchtfeuer“ von Herrn Greulich (FN, 26. Mai) liest.

Doch in der Realität gibt es nicht nur Gewinner. Bei vielen Familien sind diese Lockerungen eben noch nicht angekommen.

Denn wo Lichtblicke sind, ist auch noch viel Dunkelheit vorhanden, was viele Außenstehende aufgrund der Lockerungsparolen nicht sehen. Dies zeigt sich besonders in meinem Umfeld beim Thema der Kinderbetreuung, Notbetreuung für Kindergartenkinder, erweiterte Notbetreuung, eingeschränkter Regelbetrieb und so weiter.

In manche Kindertagesstätten können keine 50 Prozent der Kinder aufgenommen werden. Dort sind es teilweise nur 30 Prozent. Aber die Landesregierung sagt ja „maximal“ 50 Prozent. Ein Großteil der Kinder bleibt also nach wie vor zu Hause. Die Eltern dieser Kinder hätten gerne auch solche „Leuchtfeuer“, wie man sie in der Zeitung lesen kann.

Tatsächlich spaltet die Vorgehensweise der Landesregierung in der heutigen Zeit die Gesellschaft mit diesen sehr schwammigen Vorgaben.

Am Ende hängt es nämlich von den Städten und Gemeinden ab, wie streng die Notbetreuung beziehungsweise der eingeschränkte Notbetrieb gehandhabt wird. Es kommt darauf an, wie viele Eltern die Notbetreuung in Anspruch nehmen. Und zu guter Letzt kommt es auf das Personal der Einrichtung selbst an. Gibt es viele Mitarbeiter, die zu einer Risikogruppe gehören, oder sind es nur Einzelne? Diese Fragen stellt sich nun jede Kommune und jeder Kindergartenträger extra und entwickelt Konzepte.

Die Verantwortung wurde also nun von ganz oben nach ganz unten durchdelegiert. Die einzelnen Einrichtungen sollen entscheiden, wie sie den eingeschränkten Regelbetrieb organisieren. So kommt es zu diesem Flickenteppich, der selbst mitten durch Städte wie zum Beispiel Tauberbischofsheim geht. Die Stadt hat keine Chance, eine einheitliche Regelung zu finden. Es gibt Stadtteile beziehungsweise Wohngebiete, in denen der Notbetreuungsanteil sehr hoch ist. Außerdem sind noch viele weitere Kinder mit Förderungsbedarf und Integrationskinder vorzuziehen. Somit bleibt in manchen Einrichtungen nicht einmal mehr Platz für die Vorschulkinder.

Um es klar zu sagen: Die Landesregierung legt mit ihrer Corona-Verordnung einen absoluten Fehlstart hin. Vergleichen die Eltern nun ihre Situation, stellen sie fest, dass die Kriterien, wann und wie oft ein Kind wieder in die Kita gehen darf, nicht nur in den Teilorten, sondern auch rechts und links der Tauber unterschiedlich sind.

Ganz zu schweigen von jeder einzelnen Gemeinde im Landkreis. Manch einer gehört zu den Gewinnern, und die Verlierer, die mit bis zu 70 Prozent meiner Meinung nach in der Mehrheit sind, können sich nur wundern. Warum werden die Einrichtungen von oben her alleine gelassen und müssen sehen, wie sie mit ihrem vorhandenen Personal- und Platzangebot irgendwie zurechtkommen? So können nur Insellösungen entstehen, die keiner mehr verstehen kann.

Vielleicht trägt dieser Leserbrief von mir aber dazu bei, dass ein lokaler Pressebericht entsteht. In welchen Einrichtungen sind denn die Notbetreuungsplätze nahezu belegt? Haben Stadt und Träger überhaupt noch Möglichkeiten, diese Situation einigermaßen fair zu gestalten? Was unternehmen unsere Kommunal- und Landespolitiker, um einen Überblick über die Situation vor Ort zu erhalten? Wie viel Prozent der Kinder können überhaupt aufgrund des Personalschlüssels und der Räumlichkeiten aktuell und zukünftig noch in die Kitas kommen? Wie kann es sein, dass eine Landesregierung von maximal 50 Prozent der Kinder im eingeschränkten Regelbetrieb spricht und die tatsächlichen Zahlen weit darunter liegen? Kann es tatsächlich die große Öffnung, wie von der Politik versprochen, schnell geben? Fragen über Fragen.

Diese Fragen lassen sich selbstverständlich auch auf die Grundschulen übertragen. Hier gibt es ebenfalls viele Fragezeichen.

Dieses große Thema ist selbstverständlich auch mit vielen Emotionen geladen.

Die Vorgaben, die nun Klarheit und Fairness versprechen sollen, fehlen, und tragen so zu einer Spaltung der Gesellschaft bei. Der gesellschaftliche Frieden muss jedoch unbedingt erhalten bleiben.

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