"Musik als eine Art Valium"

Pop: Interview mit dem Sänger Milow über seinen Auftritt im Capitol, musikalische Veränderungen und die Zukunft der EU

Von 
Anne Kathrin Doerr
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Der Musiker Milow singt im November 2014 auf dem Messegelände in Berlin. Am 3. Mai kommt er ins Capitol nach Mannheim - auch mit neuen Songs im Gepäck.

© dpa

Mit dem 50-Cent-Cover "Ayo Technology" gelang Milow 2009 der internationale Durchbruch. Seitdem laufen die Hits des Belgiers, der mit bürgerlichem Namen Jonathan Vandenbroeck heißt, im Radio rauf und runter. Auf seiner aktuellen CD "Modern Heart" (2016) verlässt er die reine Balladen-Schiene und wendet sich vom Folk- zum Soul-Pop. Am 3. Mai macht er auf seiner großen Deutschland-Tour Halt in Mannheim und tritt im Capitol auf. Im Interview mit dieser Zeitung spricht er über seinen musikalischen Wandel, Zukunftspläne sowie über politische Entwicklungen und deren Bedeutung für seine Musik.

Milow und seine Tour

Zur Person: Der Sänger und Songwriter Milow wurde am 14. Juli 1981 im belgischen Borgerhout als Jonathan Vandenbroeck geboren. Im Jahr 2004 nahm er an einem Musikwettbewerb teil, verfehlte jedoch einen Platz auf dem Treppchen. Seinen europaweiten Durchbruch hatte der Sänger 2008/09 mit dem 50-Cent-Cover „Ayo Technology“. Mittlerweile hat er sechs Alben veröffentlicht – das siebte ist in Arbeit.
Zum Konzert: Seit 2014 ist Milow nun erstmals wieder auf großer Deutschland-Tour und macht am 3. Mai, 19 Uhr, Halt im Capitol in Mannheim. Karten (46,05 plus Gebühren) gibt es unter 0621/ 3 36 73 33. (akd)

Herr Vandenbroeck, was erwartet die Konzertbesucher im Mannheimer Capitol?

Milow: Es ist die erste große Club Tour in Deutschland seit 2014. Letztes Jahr spielten wir nur einige wenige Konzerte. In Mannheim werde ich sicher einige Songs von meinem aktuellen Album "Modern Heart" und auch ältere Lieder spielen. Die Konzerte werden so viel Energie haben wie nie. Ich habe eine große Auswahl zwischen den Liedern der letzten Jahre, die sich stilistisch teilweise stark unterscheiden. Das ist toll. Was ich aber auf jeden Fall auch tun werde: brandneue Songs zu präsentieren. Lieder, die noch nicht erschienen sind, an denen ich in den letzten Monaten gearbeitet habe. Für mich ist es eine tolle Möglichkeit die Songs zu testen und dem Publikum wie im Kino eine exklusive Sneak Preview zu geben. Als Start meines neuen Musikkapitels.

Das wie aussehen wird?

Milow: Viele meiner aktuelleren Songs haben eine Uptempo-Stimmung, sind also schneller. Früher habe ich eher Balladen geschrieben. Die Mischung daraus gibt eine sehr stimmige Setlist. Was ich noch nie gemacht habe ist ein reines Uptempo-Album. Das ist derzeit mein Plan. Vielleicht werde ich in einigen Jahren wieder eine andere Richtung einschlagen, aber das ist das, was ich aktuell machen möchte.

Ihre Songs haben einen deutlichen Wandel durchgemacht. Sie sagen selbst, anfangs waren es Balladen, nun planen Sie ein reines Uptempo-Album. Wie kommt das?

Milow: Vor "Modern Heart" habe ich mich etwas hinter meiner Musik versteckt und die Lieder für sich selbst sprechen lassen. Es war ein langer Weg und harte Arbeit bis zu meinem Durchbruch in Europa im Jahr 2009. Auch in Zeiten, in denen ich nicht wusste, ob ich das Richtige tue, ob ich überhaupt ein Publikum finden werde. Alles, was ich versucht habe, war, mich auf meine Lieder zu fokussieren. Jetzt bin ich zuversichtlicher. Ich habe mich an das Musikbusiness gewöhnt, an die Touren - und ich habe mehr Vertrauen in mich. Ich liebe, was ich tue, liebe es, Musiker zu sein! Also fühle ich mich freier.

In einem Interview mit dem "Mannheimer Morgen" im Jahr 2011 sprachen Sie über das Album "North/South", das politisch geprägt war. Thematisieren Ihre neuen Texte wieder politische Ereignisse?

Milow: Stimmt, "North/South" war stark beeinflusst von den politischen Problemen in Belgien, den Konflikten zwischen dem Norden und dem Süden. Ich war jünger, habe vieles nur schwarz oder weiß gesehen. Heute informiere ich mich natürlich nach wie vor täglich über Politik, weil es mich sehr interessiert - ich habe ja an der Universität Geschichte und Internationale Beziehungen studiert. Mit meinen aktuellen Liedern versuche ich aber eher, die Gefühle anzusprechen.

Politische Botschaften spielen also gar keine Rolle mehr in Ihrer Musik?

Milow: Ich möchte mit meinen Liedern eine positive Stimmung verbreiten. Dass die Menschen nach dem Konzert, gut gelaunt nach Hause gehen. Die Botschaft steckt also nicht wörtlich in den Texten; stattdessen hoffe ich, dass sie sich indirekt über positive Gefühle und Gedanken verbreitet. Ich versuche den Menschen eine Möglichkeit zu bieten, aus dem Alltag zu flüchten und kurz zu vergessen, was in ihrem Land oder auf der Welt passiert. Ich glaube, das ist gerade in der aktuellen Zeit sehr wichtig. Musik als eine Art Valium. Trotzdem: Aktuelle Themen beschäftigen mich, wie gesagt, sehr und es kann sein, dass ich in Zukunft auch wieder Texte dazu schreibe.

Aufstrebender Rechtspopulismus, Brexit, Gerangel um das Freihandelsabkommen Ceta speziell in Belgien, Trump ... Wie nehmen Sie die aktuellen Entwicklungen wahr?

Milow: Das alles ist sehr frustrierend. Vor sechs Jahren war ich noch Geschichtsstudent und ich hatte den Eindruck, dass sich vieles immer wiederholt; dass die Menschen nichts aus der Geschichte gelernt haben - oder es einfach vergessen. Aktuell kann man beobachten, dass viele Angst haben und Sicherheit bei Parteien suchen, die vorgeben, Lösungen zu haben.

Was denken Sie, wie es weiter geht?

Milow: Ich hoffe, dass es wieder wie ein Kreislauf sein wird, dass es vorbei geht und die Menschen sehen werden, dass sie den Falschen folgen. Man kann das ja aktuell schon in den USA beobachten. Trump hat so viele Versprechungen gemacht und es zeigt sich, dass er sie nicht halten kann, dass er schlecht vorbereitet war auf den Job. Viele Menschen, die ihn gewählt haben, sind sehr, sehr enttäuscht.

Sie kommen aus Haacht, einer Stadt nördlich von Brüssel - der Hauptstadt der EU. Welches Verhältnis haben Sie zur Europäischen Union?

Milow: Die EU ist sicher nicht perfekt, aber wenn man sich ihre Entstehung ansieht, die Zeit davor, die Kriege, erkennt man, wie enorm wichtig die Gemeinschaft für den Erhalt des Friedens ist. Das Problem ist, dass es aufgrund ihrer Komplexität vielfach viel einfacher ist, die EU zu kritisieren, als sie zu verteidigen. Ich hoffe sehr, dass die EU die aktuellen Krisen übersteht und nicht zerbricht.

Volontariat Anne Kathrin Doerr ist seit Dezember 2015 Volontärin beim "Mannheimer Morgen". Während ihres Studiums der Germanistik, Sozialkunde und Bildungswissenschaften (Staatsexamen) an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz und unmittelbar im Anschluss daran arbeitete sie unter anderem bei der Kindernachrichtensendung logo! (ZDF), der Tageszeitung "Die Rheinpfalz", der "Pirmasenser Zeitung" sowie dem Gastromagazin "Espresso" und engagierte sich bei Campusradio Mainz. Als Autorin schrieb sie das "LEO Pfälzer Hüttenbuch", das im März 2016 bei der Pfälzischen Verlagsanstalt erschienen ist. Ein Auszug daraus wurde in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Die Pfalz" gedruckt.

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