Das Prinzip des Herrn Raffelhüschen

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Zum Debatten-Beitrag "Ihre Zahlen sind Unsinn" zwischen Sahra Wagenknecht und Bernd Raffelhüschen vom 9. Juli:

Auch wenn es Bernd Raffelhüschen nicht passt - das gesetzliche Rentensystem muss voll erhalten bleiben. Raffelhüschen - als Lobbyist der privaten Versicherungswirtschaft - schreckt nicht davor zurück, die Schieflage des gesetzlichen Rentensystems kleinzureden, um einen vollständigen Übergang auf Privatvorsorge voranzubringen. Beispielsweise lehnt er die übliche OECD-Armutsdefinition ab. Stattdessen sucht er sich Hartz IV aus, von dem jeder weiß, dass dessen Höhe willkürlich festgesetzt wird und unter der Pfändungsgrenze liegt. Der Pfändungsfreibetrag wurde aber bewusst so gewählt, dass Betroffenen das Nötigste fürs Weiterleben übrigbleibt.

Raffelhüschens Ansatz, nach dem die Rentenbeiträge eine willkürlich gesetzte Grenze nicht überschreiten dürfen heißt im Klartext: Jeder soll zusätzlich Privatvorsorge treiben.

Es wäre aufschlussreich, seine Argumentation zu hören, wenn die von den Kapital- und Finanzmärkten abhängige Privatvorsorge - von der Riester-Rente, über Lebensversicherung bis zur Betriebsrente - zur Debatte stehen würde. Bei dieser Art der Altersvorsorge liegen zwischen Einzahlungen und Inanspruchnahme sämtliche Turbulenzen der Kapital- und Finanzmärkte. Und zum Schluss sind die Renten doch wieder - wie beim direkten Umlageverfahren der gesetzlichen Rente auch - über das aktuelle Bruttosozialprodukt zu finanzieren. Das Versagen der kapitalgedeckten Rente nach den Wirren des Zweiten Weltkriegs war 1957 schließlich die Ursache, die heutige gesetzliche Rente einzuführen. Das Umlageverfahren ist eindeutig zu bevorzugen.

Altersarmut beseitigen

Es gilt also, die Schieflage der gesetzlichen Rente (künftig verstärkte Altersarmut) zu beseitigen. Und dabei auch neue Finanzierungswege einzubeziehen. Das fängt beim Erhöhen der Beitragsbemessungsgrenze an, die Ausweitung der Beitragspflicht auf alle.

Das Prinzip "Jeder zahlt zum Beispiel ein Fünftel. Und damit müssen die Alten halt in der Rente auskommen", ist dringend auszutauschen gegen das Leitmotiv "Wir müssen den Alten eine angemessene Rente verschaffen. Es müssen Mittel und Wege ausfindig gemacht werden, um dies zu erreichen". Der Weg, erst einmal die jetzigen Rentenregelungen weiter anzuwenden, läuft darauf hinaus, die gesetzliche Rente so in Misskredit zu bringen, dass nur noch die Privatvorsorge "übrig" bleibt. Und die Privatvorsorge hätte dann trotz ihrer gravierenden systembedingten Nachteile die gesetzliche Rente verdrängt oder diese zumindest auf eine unbedeutende Randerscheinung reduziert. Das scheint das Ziel von Raffelhüschen zu sein.