Lamers weiß also nichts

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Demonstranten protestieren in Brüssel (Belgien) gegen den Giftgasangriff in Syrien. Der CDU-Verteidigungsexperte Karl A. Lamers hatte den US-Angriff vergangene Woche begrüßt. Der Chemiewaffeneinsatz erlaube es, "gegen einen solch brutalen Machthaber vorzugehen", sagte der Heidelberger Bundestagsabgeordnete dieser Zeitung.

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Zum Interview mit Karl A. Lamers "Putins Argumente abenteuerlich" vom 8. April:

Karl A. Lamers "begrüßte (!) den US-Angriff" mit Raketen gegen einen Militärflughafen des Assad-Regimes. Wegen des Chemiewaffeneinsatzes. Der syrischen Armee? Im Interview auf Seite 3, auf die Frage, woher er weiß, dass Assad der Urheber ist: "Die USA haben offenbar genügend Hinweise, den Absender der Angriffe zu identifizieren." Haarsträubend - er weiß also nichts.

Genauso wenig wie die Bundesregierung und alle, die wie er eine Aufklärung durch die UN fordern - eben weil nichts klar ist. Aber das Vorurteil steht und erlaubt schon mal loszubomben. Assad muss weg - das ist alles, was den Westmächten einfällt zur Situation in Syrien. Wer aber wird Syrien beherrschen, wenn Assad verschwunden ist? Es ist doch völlig klar, dass der IS und seine radikalislamischen Kumpane die einzigen Kräfte sind, die das Machtvakuum füllen können.

Afghanistan, Irak, Libyen: alles Beispiele, wo der Eingriff der Westmächte unter Führung der USA die politische und soziale Situation in diesen Ländern entscheidend verschlechtert hat. Statt eines Despoten an der Macht herrscht nun permanenter Bürgerkrieg mit einer Unzahl von Opfern, die Lage für die Bevölkerung ist schlimmer als je zuvor und ohne Aussicht auf Besserung.

Assads Regime hat politische Gegner gnadenlos verfolgt, aber von den Flüchtlingen aus Syrien wissen wir auch, dass für die Mehrzahl der Bevölkerung Bildung und Gesundheitsversorgung möglich war, dass keine religiöse Diktatur die Frauen total unterdrückt hat wie bei unseren "Freunden" in Saudiarabien. Jedenfalls ist klar, dass die übergroße Mehrzahl der Syrer sehr froh wäre, wenn sie wieder so leben könnten wie vor Ausbruch des Krieges.

Jetzt sind sie gezwungen, mit den Füßen abzustimmen, Millionen tun es, und damit haben auch wir ein großes Problem - nicht die USA! Und wenn dann der Weg frei ist für den IS und seine Kumpane in Syrien, wird der Terror weltweit - und auch bei uns - entscheidend gestärkt. Wann hören wir in Europa endlich auf, außenpolitisch im Schlepptau der USA - also jetzt Donald Trump zu fahren -, um stattdessen unsere wohlbedachten eigenen Interessen zu verfolgen?

Es gäbe mittelfristig eine Chance, Assad auf friedlichem Weg loszuwerden, wenn sich die Westmächte und Russland einig wären. Aber Hauptsache, Konfrontation mit Russland. Russland böse, USA gut. (Wolfgang Buchholz, Mannheim)

Diese Aussage hätte auch vortrefflich zu einer Teilnahme am Irak-Krieg gepasst, nur dass sich damals die USA wenigstens die Mühe gemacht haben, ein paar "Beweise" zu fälschen. Heute haben selbst sie das nicht mehr nötig; sie können sicher sein, dass unsere Regierenden - leider einschließlich unserer Kanzlerin, die ich ansonsten sehr schätze - sich kritiklos die vorgegebene Meinung zu eigen machen. Der Verweis auf den seinerzeitigen Giftgaseinsatz bei Damaskus zieht nicht wirklich; auch damals wurde nie geklärt, wer verantwortlich war - nicht zuletzt, weil die Amerikaner die ihnen nach ihrer Aussage vorliegenden Beweise nicht zur Verfügung stellen wollten.

Ziel der Amerikaner ist nach wie vor, die russische Präsenz im Mittelmeer zu beschneiden oder noch besser zu beenden. Dazu muss halt Assad als Russlands Bündnispartner weg und das auch um den Preis einer eventuellen Machtübernahme durch die Rebellen einschließlich der absehbaren Folgen für die alawitische Minderheit. Denn die "guten" Rebellen waren schwer und nur in verschwindend geringer Anzahl zu finden und wechselten nach erfolgter Ausbildung mitsamt Ausrüstung die Seiten.

Die Situation ähnelt fatal derjenigen seinerzeit in Libyen; in kompletter Ignoranz der Verhältnisse hat der Westen sein Ziel, den Diktator zu eliminieren verfolgt und ein Chaos hinterlassen. Dazu gelernt wurde nichts. (Hans-Lescow Banse, Mannheim)

Herrn Lamers sei dringend empfohlen, sich an sein Jura-Studium zu erinnern, in dem er einst das Thema Unschuldsvermutung behandelt haben muss oder mal wieder im Grundgesetz zu lesen. In diesem unsäglichen Interview ignoriert er dreist die Basis jeder Rechtsstaatlichkeit, indem er die Attacke der USA auf Syrien als Vergeltung für einen Giftgasangriff rechtfertig, der forensisch nicht einmal ansatzweise aufgearbeitet ist. Offensichtlich sollte gerade dies durch die Tomahawk-Raketen verhindert werden.

Der Umstand, dass Lamers in hündischer Ergebenheit ausgerechnet die USA mit ihrem barbarischen Gefangenenlager auf Kuba und ihren willkürlichen globalen Drohnenmorden als Weltpolizisten betrachtet, zeigt eindeutig, dass der Mann als Volks-Vertreter in einem freiheitlich demokratischen Rechtsstaat ungeeignet ist. (Peter Grohmüller, Edingen-Neckarhausen)