Mehr Mais, mehr Schweine

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Wildschweine, wie dieses aus dem Wildpark in Rheingönheim, werfen in freier Wildbahn immer öfter Junge, die Population steigt an. Dass das schlecht ist, darüber sind sich die Leser des "MM" weitgehend einig - über die Ursachen nicht.

© dpa

Zum Leserbrief "Gemästet wie ein Hausschwein" vom 16. Februar:

Rita Kleb hat einen sehr guten Leserbrief zur angeblichen Wildschweinplage geschrieben, dem man nur beipflichten kann. Die Jägerschaft belügt seit Jahren die breite Öffentlichkeit, und will den Tatsachen aus reiner Mordlust nicht ins Auge sehen. Wildschweine werden Sommer wie Winter angefüttert, um im Herbst dann mit brutalen Stoß- und Drückjagden 100 Tiere erlegen zu können.

Im November beteiligten sich an der Jagd in der Gemarkung Hüttenfeld weit über 100 sogenannter "Jäger", wir sagen Tierquäler und Mörder zu diesen Gesellen. Diese kamen aus Frankreich und angrenzenden Bundesländern, um ihrem Trieb freien Lauf zu lassen. Bisher ist es leider noch nicht gelungen, diese Gruppe von Tierschändern in die Schranken zu verweisen.

Die Hoffnung vieler Tierschützer liegt nun darin, dass 2017 im November endlich genügend Menschen auf die Straße gehen, um diesem traurigen Tiermord ein Ende zu bereiten. Wir werden alles dafür tun, dass der Jägerschaft die Freude am Töten im Herbst abhanden kommt. (Roger Miller, Mannheim)

Sicher ist das Erlegen von Schwarzwild nach dem Lüneburger Modell eine Richtschnur, um den Bestand klein zu halten, das heißt, überwiegend Jungtiere werden bejagt. Da in den meisten Revieren Deutschlands das Schwarzwild wegen der ständigen Unruhe nachtaktiv geworden ist, müssen die einzelnen Stücke bei Nacht bejagt werden. Nach wie vor ist in Deutschland die Anwendung von Nachtsichtgeräten beim Schuss verboten.

Verboten ist auch das Füttern von Wildtieren, außer in Notlagen. Der Jäger "füttert" also das Schwarzwild nicht, sondern er lockt per Kirrung einzelne Stücke in einen Bereich, der auch die sichere Schussabgabe bei Nacht zulässt. Einzelne Kirrungen in einem Revier sind zulässig.

Keine Mästung durch Jäger

Sicher ist der Fehlabschuss einer Leitbache für die soziale Struktur einer Rotte katastrophal. Das kommt leider vor, aber nicht gewollt. Frau Kelbs Vorwurf der "Mästung wie ein Hausschwein" ist überwiegend emotional bedingt: Ein Pfund Mais am Kirrplatz, wo außen herum hektarweise Frucht in Intensivwirtschaft angebaut wird, kann nicht Ursache sein, um eine "Wildschwein-Plage" auszulösen. Naturverbundenheit spiegelt der Leserbrief nicht wider.

Beim heutigen Polarisieren und Polemisieren ist das Unterstellen und Vorverurteilen aufgrund ungeprüfter Argumente, ohne sich um die eigentlichen Zusammenhänge zu kümmern, kein Wunder. (Weswegen dann auch nach Meinung der Briefschreiberin ein Wildschwein mit einer Flinte geschossen wird.) Und: Wenn auch laut "MM" die Leserbriefe "nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln", ist bei der Auswahl die Schere der Journalisten immer dabei. Eine verpasste Chance zu einer ausgewogenen Berichterstattung. (Andreas Schott, Mannheim)

Frau Kleb verbreitet in bester Tradition der jagdfeindlichen Interessenverbände mit aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten von "Experten" Halb- und Unwahrheiten. Es ist bedauerlich, dass sich eine seriöse Tageszeitung wie der "MM" vor den Karren einer Jagdgegnerin spannen lässt, indem er, anscheinend ohne Überprüfung des Wahrheitsgehaltes, Leserbriefe veröffentlicht, die teilweise haarsträubende Fehlinformationen enthalten. Um diese zu entlarven, ist nicht einmal fundiertes biologisches Fachwissen erforderlich.

Ich möchte nicht auf alle Details dieses Leserbriefes eingehen. Bereits eine einzige Passage offenbart die Absicht der Verfasserin - Diskreditierung der Jagd und Jäger. Der Biologe Kurt Eicher von der "Initiative zur Abschaffung der Jagd" wird zitiert: "Während Wildschweine früher einmal im Jahr Nachwuchs bekamen, gibt es jetzt dreimal pro Jahr Junge". Alle Achtung vor diesem Fachmann. Wie in der einschlägigen Literatur einfach festzustellen ist, beträgt die Tragzeit beim Wildschwein 115 bis 118 Tage.

Selbst wenn wir diesem "Experten" und seiner Jüngerin Frau Kleb ein Schaltjahr mit 366 Tagen zugestehen, verbliebe bei dreimal Nachwuchs im Jahr also bereits 345 bis 354 Tagen Tragzeit, eine Säugezeit (ja Herr Eicher, Wildschweine sind Säugetiere) von vier bis sieben Tagen pro Wurf!

Nur ein Wurf pro Jahr

Die notwendige Säugezeit, damit die Jungen überhaupt überleben, beträgt aber zweieinhalb bis drei Monate. Im Normalfall führt die Bache Ihre Frischlinge ungefähr ein Jahr, bis sie wieder Junge bekommt. Sicher kann es vorkommen, dass eine Bache bei Verlust ihrer Frischlinge ein zweites Mal in einem Jahr Junge bekommt, aber eben nur, wenn der erste Wurf verlorengeht - das ist eine Ausnahme.

Ich denke, es ist müßig, auf die weiteren Zitate und Statistiken einzugehen, hier gilt, was schon Winston Churchill sagte: "Traue keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast". Sicher gibt es auch unter Jägern, wie überall in unserer Gesellschaft, einige wenige schwarze Schafe, die Wildschweine "füttern".

Dass dies aber nicht die Hauptursache für die starke Vermehrung der Wildschweine ist, sondern die veränderte Landwirtschaft mit großflächigem, intensiven Maisanbau und der Klimawandel, der für ein immer größeres Nahrungsangebot im Wald sorgt, lässt sich dadurch belegen, dass inzwischen massenhaft Wildschweine in Gegenden vorkommen, in denen sie überhaupt nicht angefüttert und nicht oder kaum bejagt werden. (Michael Wetzel, Mannheim)

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