Bilfinger - Rechtsexperte erwartet Gerichtsverfahren um Schadenersatzforderungen an Topmanager / Konzern unnachgiebig

Zeichen stehen auf Konfrontation

Von 
Bettina Eschbacher
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Roland Koch (links) und Herbert Bodner bei einer Pressekonferenz 2010: Sie sollen mit zehn weiteren Bilfinger-Vorstandsmitgliedern Millionen zahlen. © dpa

Mannheim. Immer wieder war Bilfinger wegen Korruptionsfällen in die Schlagzeilen geraten. Vor allem das Nigeria-Geschäft galt als anfällig. Auch ein Bestechungsfall einer Bilfinger-Tochter in Brasilien bei einem Auftrag zur Fußball-Weltmeisterschaft 2014 sorgte für Aufsehen. Nun holt diese Vergangenheit zwölf längst ausgeschiedene Spitzenmanager des Mannheimer Industriedienstleisters ein.

Diese Ex-Vorstände werden zur Kasse gebeten

  • Roland Koch, Vorstandsvorsitzender von 2011 bis 2014
  • Herbert Bodner, Vorstandsvorsitzender von 1999 bis 2011 und 2014/15
  • Pieter Koolen (2013-2015), u.a. zuständig für Division Oil and Gas
  • Jochen Keysberg (2012- 2016), u.a. zuständig für Division Building
  • Joachim Enenkel (2010-2015), u.a. zuständig für Division Construction
  • Thomas Töpfer (2009-2013), u.a. zuständig für Division Industrial Services
  • Joachim Müller (2008-2015), u.a. zuständig für Finanzen
  • Klaus Raps (2007-2012), u.a. zuständig für Hochbau
  • Kenneth Reid (2007-2010), u.a. zuständig für Ingenieurbau
  • Joachim Ott (2003-2009), u.a. zuständig für Umwelttechnik
  • Hans Helmut Schetter (1995-2009), u.a. zuständig für Personal und Technik
  • Jürgen M. Schneider (1990-2009), u.a. zuständig für Finanzen (fas)

Der Aufsichtsrat hat am Dienstag nach zwei Jahren Prüfung entschieden, gegen zwölf Vorstände, die zwischen 2006 und 2015 Bilfinger führten, Schadenersatzansprüche wegen Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit diesen Korruptionsfällen geltend zu machen. Der angenommene Schaden summiert sich auf rund 100 Millionen Euro. Unter den Betroffenen sind auch der einst gefeierte Vorstandschef Herbert Bodner und sein prominenter Nachfolger, der ehemalige hessische Ministerpräsident Roland Koch. Mit den Forderungen nichts zu tun haben der spätere Kurzzeit-Vorstandschef Per Utnegaard und der aktuelle Vorstand um Tom Blades.

Noch seien derartige Schadenersatzansprüche in der deutschen Wirtschaft selten, erklärt Moritz Renner, Professor für Wirtschaftsrecht an der Uni Mannheim. Doch wüchsen die Anforderungen an die Compliance-Systeme, die die Einhaltung der Gesetze und Richtlinien in einem Unternehmen sichern sollen. Diese Systeme sollen auch der Korruption vorbeugen – funktionieren sie nicht, könnten Vorstände dafür in die Haftung genommen werden, auch wenn sie nichts mit den Bestechungsfällen zu tun hätten.

„Vorstände haben eine allgemeine Pflicht, schon im Vorfeld zu verhindern, dass es zu Rechtsverstößen kommt“, sagt Renner. Der Druck auf Aufsichtsräte wiederum sei hoch, bei möglichen Pflichtverletzungen aktiv zu werden. Immerhin hatten die Verstöße in Nigeria ernste Konsequenzen: So musste Bilfinger für einen Fall aus dem Jahre 2003 eine Strafzahlung von 32 Millionen Dollar an das amerikanische Justizministerium zahlen.

Außerdem überwacht seit 2013 ein externer Aufpasser die Verbesserung des Compliance-Systems. Bezahlt wird er von Bilfinger. All das sind Kosten, die in die Berechnung des Schadenersatzes mit einfließen.

Jetzt werden die Betroffenen in einem Brief von Bilfinger über die Forderungen informiert, erklärt Renner. In solchen Fällen kommen spezielle Haftpflichtversicherungen für Manager zum Tragen. Er geht davon aus, dass weder die Versicherungen noch die Vorstände auf die Forderungen eingehen. Zu rechnen sei daher mit einem Gerichtsverfahren. Renner hält aber auch eine außergerichtliche Einigung für möglich.

„Keinerlei Schuld bewusst“

Roland Koch hat bereits deutlich gemacht, dass er sich keinerlei Schuld bewusst sei. Koch, der bei seinem unrühmlichen Abschied eine üppige Abfindung von Bilfinger erhalten hatte, dürfte bestens auf einen juristische Auseinandersetzung vorbereitet sein: Schließlich arbeitet er inzwischen als Wirtschaftsanwalt, er hat eine Kanzlei in Frankfurt.

Bei Bilfinger stehen die Zeichen auf Konfrontation: „Die Gesellschaft strebt an, die nach Ansicht des Aufsichtsrates bestehenden Schadenersatzansprüche in größtmöglichem Umfang durchzusetzen“, sagte ein Konzernsprecher. Bisher steht nicht fest, welcher Vorstand in welcher Höhe Schadenersatz zahlen soll. Der Löwenanteil dürfte aber auf Herbert Bodner als Vorsitzenden mit der längsten Amtszeit entfallen.

Redaktion Bettina Eschbacher ist Teamleiterin Wirtschaft.

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